einander untergebracht waren, gestattete die Einteilung gewisse Spekulationen über die Dauer des Aufenthalts im Lager. Ich befand mich in einem Bau der Stufe eins, in der die politischen ,, Schwerverbrecher" unterge­bracht waren.

Wenn der diensttuende SA- Mann nach sechs Uhr mor­gens die Tür wieder schloß, waren wir unter uns. Dann spielten wir Karten und andere Spiele. Das war erlaubt, auch lesen durften wir, soweit der Buchvorrat reichte, den einzelne Kameraden von zu Hause mitge­bracht hatten. Hinter manchem harmlosen Titel eines Buches verbarg sich ein Inhalt, der später nicht nur nicht zugelassen worden wäre, sondern die Besitzer der Bücher in verschärfte Schutzhaft gebracht hätte. So wußte un­sere Aufsicht zum Beispiel mit den Werken Heinrich Heines gar nichts anzufangen. Ihrer literarischen Un­wissenheit verdankten wir es, daß wir uns auch hier noch manchen geistigen Leckerbissen gestatten durften. Alle zwei Stunden wurden wir in militärischer Ord­nung zur Bedürfnisanstalt geführt, nach dem alten Kommando: ,, In Gruppen links schwenkt, Marsch!" Wer vor Ablauf dieser Zeit ein Bedürfnis anmeldete, zog sich den Zorn des Wachthabenden zu. Mancher SA­Mann machte diesen Marsch zum Klosett auch zu einer nächtlichen Gewohnheit. Um einundzwanzig Uhr muß­ten die Häftlinge zu Bett, um in einem solchen Falle bereits um dreiundzwanzig Uhr wieder geweckt zu wer­den; unbekleidet hatten sie dann bei jeder Witterung auf dem Kasernenhof in militärischer Ordnung anzu­treten, um zum Klosett geführt zu werden. Das wieder­holte sich um ein Uhr und um drei Uhr. Um fünf Uhr mußte wieder aufgestanden werden. Am Tage wurden wir alle zwei Stunden fünfzehn Minuten lang im Gän­semarsch um den Hof herumgeführt, der zwischen un­

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