seren Bauten und dem gegenüberliegenden Gebäude lag. Die Häftlinge nannten diesen Spaziergang Do­vesgang"; vielleicht stammt die Bezeichnung von dem Berliner Lokalausdruck ,, dof", was soviel heißen soll wie blöd. Der Hof war durch einen zwei Meter hohen Stacheldraht aufgeteilt worden. Dadurch sollte vermie­ten werden, daß die Häftlinge der verschiedenen Un­terkünfte miteinander in Verbindung treten konnten. Ganz ließ sich das bei den Rundgängen jedoch nicht vermeiden.

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Auf diese Weise konnte ich noch eine letzte Unter­haltung" mit meinem Kameraden und Reichstagskol­legen Dr. Schumacher führen, der vier Wochen nach mir ins Lager gekommen war. Schumacher, eine hoch­intelligente Persönlichkeit, dem eine große politische Zukunft winkte, war elf Jahre jünger als ich und stammte aus Kulm an der Weichsel . Vom Gymnasium weg zog er als Achtzehnjähriger ins Feld, wurde mehr­fach schwer verwundet und büßte den rechten Arm ein. In den Revolutionsmonaten von 1918/19 lernten wir uns in Berlin kennen. Im Jahre 1920 trat er, von mir als eine begabte jüngere Persönlichkeit empfohlen, in die Redaktion der ,, Schwäbischen Tagwacht" in Stuttgart ein. Seit 1930 gehörte er dem Reichstag an. Dort hatte er eine scharfe Rede gegen die Nationalsozialisten ge­halten, in der er erklärte, die braune Pest sei schlim­mer als die schwarze. Das entsprach der Wahrheit. Jetzt aber hatte er die braune Pest persönlich auf dem Halse. Die Nazipresse in Stuttgart hatte nach seiner Verhaftung angekündigt, man werde an ihm ein Exem­pel statuieren. Nun wurde er hier im Kasernenhof her­umgejagt, mußẞte mit seinem linken Arm bei 30 Grad Hitze auf dem ausgedehnten Gelände des Lagers kleine Kieselsteinchen in einen Eimer sammeln oder gespal­

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