Zahl der Häftlinge lag zwischen eintausendfünfhun­dert und zweitausend. Schon damals hatte man verein­zelt Asoziale unter die Häftlinge gemischt. Im Gegen­satz zu den Verhältnissen, die ich elf Jahre später im Konzentrationslager Sachsenhausen antraf, handelte es sich bei den Insassen des Lagers aber in mindestens 95 Prozent der Fälle um wirklich politische Häftlinge. Zwei Drittel davon mögen Kommunisten, ein Drittel Sozialdemokraten gewesen sein.

Unsere Ankunft im Lager war in sensationeller Weise angekündigt worden. Man hatte den Häftlingen, die schon zwei bis drei Monate im Lager waren, eingere­det, die Führer hätten sich der Verhaftung entzogen. Es wurden am Tage vor unserer Einlieferung förmliche Stubenversammlungen abgehalten, die den Zweck ver­folgten, die Häftlinge, vor allem die kommunistischen, zu Demonstrationen und Tätlichkeiten gegen uns auf­zustacheln. Gefangenen, die sich hierbei besonders her­vortun würden, war die alsbaldige Entlassung in Aus­sicht gestellt worden. Wir wurden nun unseren Leidens­genossen durch den stellvertretenden Lagerkomman­danten, einen aufgeblasenen arroganten Lümmel erster Ordnung, namens Kaufmann, vorgestellt. In den etwa dreißig Stuben, in die wir von Kaufmann geführt wur­den, geschah die Vorstellung jedesmal mit den Wor­ten:, Hier sind eure Bonzen, der Landtagspräsident Pflüger, der Reichstagsabgeordnete und Direktor Roẞ­mann und der Schriftsteller Fischer, denen ihr es zu verdanken habt, daß ihr hier auf dem Heuberg sitzt. Für jeden von ihnen erhalten fünf von euch die Frei­heit." Der erwartete Effekt blieb jedoch aus. Kalt und teilnahmslos wurden die Worte Kaufmanns entgegen­genommen. Daß die Sozialdemokraten sich gegen uns als ihre Kameraden nicht aufhetzen ließen, war selbst­

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