die ihrer Physiognomie nach soeben aus dem Zuchthaus entsprungen sein konnten. Mit vorgehaltenem Revolver erklärten sie, mich verhaften zu müssen. Es waren zwei jener dunklen Gestalten, die damals als Hilfspolizisten der ordentlichen Polizei aus den Reihen der SA zur Verfügung gestellt worden waren. Vielfach handelte es sich um Personen, die persönlichen Rachegefühlen nachgingen, wie es ja überhaupt in jener Zeit des Entstehens der Gestapo der Brauch war, die Häftlinge dem Rachedurst persönlicher Gegner auszusetzen. Diese beiden ,, Vorkämpfer für Deutschlands Reinheit und Ehre" durchsuchten zunächst meine Post. Einen Brief der Reichstagsfraktion konnte ich noch rechtzeitig ihrem Zugriff entziehen. Dann mußte ich mit. Beim Verlassen des Hauses empfing mich ein Pfeifkonzert, für das man einige Hitlerjungen beordert hatte. Am Abend brachte ein Naziquartett meiner Familie ein ,, Ständchen". An solche„ Spässe" waren wir allerdings gewöhnt. Schon lange vor der sogenannten Machtergreifung der Nazis war es an der Tagesordnung, das persönliche und familiäre Leben des politischen Gegners zu stören oder zu verunglimpfen. Ich bin in meinem Leben nie aus dem Rahmen herausgetreten, den ich mir nicht auf einer bescheidenen Rang. stufe des sozialen Lebens jederzeit hätte gestatten können. Aber ich war Direktor einer höheren Reichsbehörde, Vorsitzender der württembergischen Sozialdemokratie und deren Spitzenkandidat für den Reichs tag . In diesen Eigenschaften mußte ich verdächtigt und verleumdet werden. Waren keine persönlichen Angriffsflächen da, so wurden sie einfach erfunden. In wenigen Minuten war ich im Polizeigefängnis der Stadt Stuttgart in der Büchsenstraße.„ Die Büchsenschmiere" hieß es der Volksmund. Zunächst wurde ich
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