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,, Klavierspielen" geführt, so nannten die Häftlinge das Fingerabdrucksystem, das die Kriminalpolizei zur Wiedererkennung von Verbrechern anwendet. Dann mußte ich mich entkleiden. Der Polizeibeamte, der meine Kleider nach verborgenen Gegenständen abtastete, blinzelte mir verständnisinnig zu. Es war zufällig ein ehemaliger Feldwebel, dem ich während des Krieges bei meiner Truppe begegnet war. Sprechen konnte er nicht mit mir, denn wir waren nicht allein im Raum, aber er übersah das Schreiben des Fraktionsbüros, das ich in das Futter meines Rockes versteckt hatte. In der Zelle konnte ich es zwischen den Fingern zerreiben und nach und nach in den Klosetteimer werfen. Dieser Eimer, der nur mit einem Holzdeckel verschlossen werden konnte, diente den Häftlingen zur Befriedigung ihrer Notdurft. Die Luft in dem engen heißen Raume, der tagsüber verschlossen blieb und nach außen nur eine Öffnung in der Größe von einem Viertel- Quadratmeter hatte, war fast unerträglich. Die NSDAP . hielt es damals noch für erforderlich, die Verhaftung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit Scheingründen zu belegen. Am Tage nach meiner Verhaftung erschien daher in der Nazipresse ein gegen mich gerichteter Artikel, in dem es hieß, ich sei als ein übler Novemberverbrecher wegen unzulässiger Verbindungen mit pazifistischen Kreisen des Auslandes in Haft genommen und würde deshalb und wegen einer Reihe anderer Vergehen, deren ich dringend verdächtig sei, wohl auch der Staatsanwaltschaft noch Gelegenheit geben, sich mit mir zu beschäftigen. Meistens blieb es bei solchen Anschuldigungen. Ich wurde jedoch zweimal zur Vernehmung zu einer Dienststelle der in der Bildung begriffenen Gestapo geführt. Im November 1918 war ich allerdings an den revolutionä
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