sationen besaß, telegraphisch nach Lausanne gebeten, um meinen Einfluß im Sinne einer für Deutschland erträglichen Lösung der Reparationsfrage und der Abrüstung geltend zu machen. Ich unterbrach sofort den Wahlkampf und fuhr mit Zustimmung meines Fraktionsvorstandes nach Lausanne . Denn dort ging es ja nicht um die Regierung der Barone, gegen die im Innern der Wahlkampf tobte, sondern um Deutsch­ land und um den Frieden. Da hatten persönliche und politische Empfindungen zu schweigen.

In Lausanne beobachtete ich, wie sich Englands Mi­nisterpräsident um das Zustandekommen eines Ergeb­nisses bis zur physischen Erschöpfung bemühte. Wie­derholt sah ich MacDonald, der mir seit dem Interna­tionalen Sozialisten- Kongreẞ in Stuttgart 1907 keine unbekannte Erscheinung war, mit Spuren tiefster Er­regung und Sorge im Gesicht aus dem Konferenzzim­mer eilen. Einmal, als alle seine Bemühungen zu schei­tern drohten, hatte er sein Aktenbündel zornig auf den Verhandlungstisch geworfen und mit der Abreise ge­droht. In jenen Tagen sekundierte Großbritannien Deutschland stärker als seinem ehemaligen Verbünde­ten Frankreich , so daß ich manchmal an das Wort Hei­nes denken mußte, der von England, das er als Ver­ehrer des Korsen nicht liebte, sagte: Es ist der kälteste Freund, aber der generöseste Feind. England wollte Deutschland von den als demütigend empfundenen Be­stimmungen des Teils 8 des Versailler Vertrages be­freien. Der deutsche Faschismus hat auch MacDonalds Friedenswerk zertrümmert. Wenn ich daran denke, welches internationale Gewicht Deutschland wenige Jahre nach Versailles trotz der Abrüstung besaß, so empfindet man zehnfach schmerzlich den tiefen Sturz, den es unter der wahnsinnigen Führung Hitlers erlit­

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