mit wechselnden Mehrheiten zu regieren versuchte. Als es im Sommer 1930 in der Minderheit blieb, wurde der Reichstag aufgelöst. Die Auswirkungen ließen nicht lange auf sich warten. Die Wechselkurse sanken, Ban­ken wurden geschlossen, die Freiheit des Devisenver­kehrs aufgehoben, der deutsche Export fiel auf ein Minimum, während die Beschäftigungslosigkeit lawinen­artig anwuchs, und die Konsumkraft der deutschen Be­völkerung ständig schrumpfte. Aber noch war nichts verloren, wenn auch die Notverordnungspolitik der Regierung Brüning der politischen Demagogie breite Angriffsflächen bot. Doch wurden selbst die unzuläng­lichen Maßnahmen der Regierung sabotiert. General­direktor Dr. Dorpmüller erklärte 1932, die Reichsbahn habe keine Mark für zusätzliche Arbeitsbeschaffung zur Verfügung, kaum ein Jahr später besaß sie jedoch Hunderte von Millionen für das Arbeitsbeschaffungs­programm des Dritten Reiches . Das ist nur ein Beispiel für ungezählte Fälle dieser Art. Die Machthaber in Industrie und Finanz wollten die Massen immer tiefer in die Verzweiflung treiben, sie reif machen zu jeder Torheit, die Regierungskrisen durch eine Staatskrise ablösen, um bei deren Bereinigung die Macht in Deutschland für absehbare Zeit an sich zu reißen. Noch war es freilich nicht so weit. Die sozialen Einrichtun­gen der demokratischen Republik funktionierten und hielten die unmittelbarste Not fern. Der Arbeitslose von 1932 lebte im allgemeinen besser als der deutsche Durchschnittsmensch von 1944. Politische Disziplin der Massen, Klugheit, guter Wille und Tatkraft der ver­antwortlichen Regierungen hätten wohl vermocht, die Entwicklung wieder in normale, friedliche Bahnen zu lenken. In Deutschland war die Zeit von den Septem­berwahlen von 1930 bis zum Sturz der Regierung Brü­

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