zu ordnen. Demokratie und Sozialismus standen unter ihnen im Vordergrund. Meine nächsten Kameraden waren meist Söhne von Handwerkern, Geschäftsleuten, manchmal sogar von Fabrikanten. Das Leben in ihren Familien war einfach, aber doch schon um viele Grade reicher als das meiner Eltern. Hier war vielfach Grund­besitz. Da standen Klaviere, hingen gute Bilder an den Wänden, kleine Bibliotheken und kostbare Spielzeuge waren anzutreffen, manchmal auch schon eine Näh­maschine für die Hausfrau, ein Fahrrad für den Herrn, oft ein Hund als Kamerad und ein Schwein für das Schlachtfest im Winter. Für mich waren das alles un­erfüllbare Wunschträume. Durch die Tätigkeit der Mutter gewann ich auch Einblick in reiche Häuser und in die Sphäre unserer sozialen Antipoden. Doch haben Neid oder gar Haß von meiner Seele nie Besitz ergrei­fen können, nur war ich schon früh erfüllt von der Erkenntnis, daß ein schweres Unrecht in der Welt waltet. Daraus erwuchs in mir der leidenschaftliche Wille, dieses Unrecht zu bekämpfen und seine Macht zu brechen. Als vollends ein Zufall dem Sechzehnjäh­rigen die gesamte sozialistische Literatur aus der Zeit vor dem Sozialistengesetz in die Hände spielte, darunter die Schriften von Lassalle und das Kommunistische Ma­nifest von Marx und Engels , da geriet die junge Seele in einen Aufruhr ohnegleichen. Alles, was das Prole­tarierkind erlebt und gesehen hatte, alles, was bisher nur in der Welt der Gefühle, der Sehnsüchte, der Hoff­nungen lebte, hier fand es das wissenschaftliche Fun­dament, seinen mitreißenden Ausdruck und die klare Zielsetzung. Dieses Lehrgebäude hing auch nicht in der Luft, wies eine organische Entwicklung von unten nach oben auf und hatte die bewegenden Kräfte der Menschheitsgeschichte der Wirklichkeit abgelauscht.

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