342 ZWEITAUSEND TAGE DACHAU
mir einen Streich gespielt, was bei der strengen Kälte und den zwei dünnen Decken kein Wunder ist. Sechs- bis zehn- mal jagt es mich heraus, ein böses Leiden, das sich von Winter zu Winter verschlimmert. Ich kann nur froh sein, daß‘ich ausnahmsweise allein liege und nicht zwischen die andern'eingepfercht. So konnte ich die Sache unbemerkt in Ordnung bringen. Aber gefroren hat es mich doch wie einen Schloßhund, denn es war eisig kalt. Auf dem Appellplatz ging das Frieren erst recht an. Eine halbe Stunde lang standen wir in der vom Winterwind frostig bewegten Morgenluft fast regungslos da. Hu, mich schüttelt es jetzt noch beim Drandenken! Endlich ging es ab, und wie froh war das Porzellan, als wir endlich unsere Manufaktur er- reichten. Gleich bei der Ankunft schon hauchte uns aus der Tür eine mollige Wärme entgegen, in welche Atmosphäre wir uns keuchend, pustend und unter Hallo-Rufen hinein- drängten, froh, für einen Tag wieder geborgen zu sein. Ins- geheim fürchten wir alle, daß wir eines schönen Morgens das ganze Gemäuer samt Ofen, Kanzlei, Bunker, Buchhal- tung, Bulldoggen, Husaren und Seydlitzkürassieren dem Erdboden gleichgemacht antreffen werden. Selbst die ärgsten Schreier können sich eines leichten Grauens bei dieser Vor- stellung nicht erwehren. Denn unter den obwaltenden Um- ständen bietet uns das Porzellan eben doch nicht bloß Blut- wurst und Buttermilch, sondern auch die Wärme einer win- terlichen Zufluchtsstätte, und wir sind gescheit genug, um zu wissen, daß etwas Besseres selten nachkommt.— Aber eines wundert mich doch sehr: daß dem Riechorgan des Über- menschen der Duft noch nicht aufgefallen ist, der als Wolke des nächtlichen Übels meinem Häftlingsgewand nicht eben rosengleich entsteigt. Sollte er wirklich noch nichts gewittert haben?—
Dem Pragmatiker übersandte ich einen kleinen Ballen ‚ Literatur(zum Hinausschmuggeln!). Als Dankretour
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