daß sie vor vier Wochen einen Russen gehenkt haben, weıl er ein Kabel beschädigt hätte.
Bevor wir die jungen Ukrainer, die uns manchmal das Leben sauer machen, verurteilen, sollten wir versuchen, mit ihnen zu fühlen und ihnen etwas geben von dem Reich- tum, der uns im WORTE GOTTES von Jugend auf in den Schoß gelegt ist. Ja, das ist leichter gesagt als getan. Wie ihnen nahekommen ohne Kenntnis ihrer Sprache? Mit meinem Russischlernen geht es im Tempo der Echter- nacher Prozession: drei Schritt vor und zwei zurück!’ Mit dem zweiten Heft bin ich zu Ende; aber bis ich das dritte bekomme, werde ich auch wieder vergessen haben, was ich bisher gelernt. Nun hat mir zwar der Pragmatiker eine illegale Sprachlehre über den Draht geworfen. Allein ich habe Unglück gehabt; das einzige Mal, da ich sie auf den Block mitnahm und in der Eile in den Strohsack steckte, veranstaltete die SS eine Durchsuchung und stahl sie mir weg. Ich mußte froh sein, so leichten Kaufes noch davon- zukommen bei einem Buch, das den Stempel der Bücherei nicht trug. Ich hoffe, daß bald ein zweites über den Draht- zaun fliegt! Dem Schweinhausener Genie ist alles zuzutrauen.
Der soziale Typ, den man unter den Russen trifft, ist meist der des Fabrik- oder Landarbeiters. Eine ganze Anzahl sind Studenten, doch nur der praktischen Wissen- schaften. Angestellte trifft man selten, freie Unternehmer nie. Ich habe aber den Eindruck und lasse es mir nicht nehmen, daß es für den Gesamtcharakter eines Volkes un- günstig ist, wenn der Mittelstand des selbständigen Unter- nehmers, Bauern und Künstlers fehlt. Es klingt ja herrlich und mutet wie eine endgültige Lösung der wirtschaft- lichen Frage an, wenn man hört: diese jungen Menschen werden, wenn sie nach Rußland zurückkehren, die Sorgen um ihre Zukunft nicht kennen. Sie ist ihnen vom Staat abgenommen. Jeder wird einen Platz erhalten, auf dem er


