Hause vorbei. Zwei Männer, die um die Ecke bogen, schienen ein ruhiges Gespräch zu führen. Ein Kohlen­wagen blieb vor einem Haustor stehen. Rada dachte: Vielleicht waren es unsere Tanks. Es kommt vor, daß unsre Tanks durch die Straßen fahren. Im nächsten Augen­blick blieb sein Herz stehen. Er sah eine Hakenkreuz­fahne. Sie wehte unter dem Dach des vierten Hauses auf der andern Straßenseite. Sie wand sich im Schnee­sturm, Rada glaubte ihr Knattern zu hören. Sie war herausfordernd groß; daß er sie nicht sofort erblickt hatte, war ihm unverständlich.

Er hatte noch nie eine Hakenkreuzfahne gesehen. Er drehte sich um und kehrte zu seinem Schreibtisch zu­rück. Er dachte: Es ist also wahr. Havelka hat also recht gehabt.

Woche für Woche hatten Rada und sein etwas jüngerer Kollege Havelka die Frage erörtert, die seit dem Herbst das tschechische Volk beunruhigte. Wird Hitler das kleine, zerstückelte Land, das den Tschechen nach dem Münch­ ner Vertrag geblieben war, besetzen?

Havelka hatte schon im Herbst die Frage bejaht. Rada hatte immer wieder gesagt, diese Befürchtung sei un­sinnig, denn erstens sei die verstümmelte, ihrer natür­lichen' Grenzen beraubte Tschechoslowakei seit dem Münchner Vertrag ohnehin wirtschaftlich und politisch von Deutschland abhängig, so daß eine Besetzung des Landes den Deutschen keine neuen Vorteile brächte, zweitens habe Hitler feierlich erklärt, die Abtretung der Sudetengebiete sei die letzte seiner territorialen Forde­rungen in Europa . ,, Und ein Wort Hitlers beruhigt Sie?" hatte Havelka gefragt.

Rada saẞ reglos an seinem Schreibtisch. Er sah seine Kollegen Havelka und Beran eintreten. Sie öffneten die

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