dem Minister überreichte. Josef Rada war nicht auf Anerkennung und Lob erpicht. Wenn seine Berechnungen genehmigt wurden, war er zufrieden.
Die Tabelle, die er heute zusammenzustellen hatte, war eine heikle Arbeit, weil sie den tragisch veränderten Verhältnissen, die seit einem halben Jahr das Arbeitssystem des Ministeriums von Grund auf zerstört hatten, Rechnung tragen mußte. Der Münchner Vertrag, die Abtrennung der Sudetengebiete, hatte den Wirkungskreis des Verkehrsministeriums wesentlich verkleinert. Es gab jetzt weniger Eisenbahndirektionen, mit denen die Tarifabteilung zu verkehren hatte, aber bedeutend mehr Instanzen. Vor allem war seit dem 1. Oktober 1938 das Einverständnis der reichsdeutschen Behörden, die das Eisenbahnnetz der abgetretenen Gebiete übernommen hatten, auf Schritt und Tritt erforderlich, selbst wenn es sich nur um eine völlig unwesentliche Tarifänderung handelte. Der Verkehr mit den deutschen Behörden war schwierig; sie ließen keine Gelegenheit ungenützt, den. nur noch scheinbar unabhängigen tschechischen Ämtern Verdruß zu bereiten. Infolgedessen war der Minister gereizt; die Abteilungsvorstände desgleichen; und die untergeordneten Beamten bekamen unablässig alle Peinlichkeiten dieses Zustandes zu spüren.
Trotzdem war Josef Rada nach dem Münchner Diktat, das die junge Republik und das tschechische Volk der Willkür des Tschechenfeindes Hitler ausgeliefert hatte, ein ruhiger, unermüdlicher Arbeiter geblieben. Seine Augen hatten schon in seiner Jugend besorgt in die Welt geblickt; aber er war nie furchtsam oder ängstlich gewesen. Der Ausdruck des Besorgtseins, der seinen Augen anhaftete, entsprang dem Willen dieses mit einem zarten Gewissen belasteten Menschen, alle Pflichten, die
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