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ERLEBTES OSTERREICH
schenkennerischen Humor gemein hatte. Einmal, kurz vor Ausbruch des Krieges, kamen wir auf einem Spaziergang auf dem Semmering an einem armseligen Gaukler vorbei, der in einem in der Hand getragenen hölzernen Kasten einen uniformierten Affen mit sich führte. In den Ortschaften stellte er das Kästchen nieder, ließ das Äffchen hinaufspringen und dann in aufrechter Haltung ein paar bescheidene Kunststücke ausführen: salutierend an das Mützchen greifen, militärische Wendungen ausführen, ein kleines hölzernes Gewehr präsentieren und sogar abschießen. Benedikt war stehengeblieben und sah zu. Nach einer Weile sagte er: ,, Unterstützen wir diesen Herrn Kollegen" und warf weitergehend eine Münze in den bereit gehaltenen Blechnapf des Gauklers.
Ich ging öfter mit dem großen Publizisten spazieren, mit dem, auch geistig, Schritt zu halten nicht eben leicht war. Meistens gingen wir allein, aber einmal gesellte sich uns ein dritter, mit Benedikt ungefähr gleichaltriger Herr, von dem ich nur wußte, daß er eine Leuchte der nationalökonomischen Wissenschaft war. Es war wenige Tage vor dem Ultimatum an Serbien , und ich glaube, es war unser letzter Spaziergang. Die beiden, im Verhältnis zu mir alten Herren sprachen und ich hörte zu. Plötzlich blieb der eine der beiden Wortführer stehen, machte Front gegen den anderen, wie dies erfahrene Politiker auf Spaziergängen gerne tun, und sagte in herausforderndem Ton zu dem anderen: ,, Und nehmen wir schon an, es kommt zum Krieg, was glauben Sie, wie tief wird die österreichische Rente fallen?"" Auf sechzig Prozent", erwiderte, augenscheinlich nicht ganz unvorbereitet, der Gefragte. Worauf der andere, ich weiß nicht mehr genau, war es Benedikt oder der Nationalökonom, sagte: ,, Nicht einmal auf sechzig."
Fünf Jahre später war die Österreichische Rente auf ein Zwölftausendstel gefallen.


