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herr, der kein Freund der„ ,, deutschen Orientierung" war, machte seine Zwischenbemerkungen. Er sprach von dem zweitägigen Besuch des deutschen Kaisers beim Thronfolger in Konopischt und von den russischen Manövern an der österreichischen Nordostgrenze. All das ergab ein Ganzes: das Schwein, der Bahnhof, Wilhelm der Zweite und die russischen Manöver, und mein verehrter Freund zog in seiner witzigen Art die Schlußfolgerung.„ Im Herbst", sagte er, ,, haben wir den Krieg und dann wird man in Österreich wieder leben können." ,, Glauben Sie denn", fragte ich in aller politischen Unschuld zurück ,,, daß Österreich diesen Krieg gewinnen wird?" ,, Nein", kam die Antwort ,,, eben nicht! In Österreich hat man immer nur leben können, wenn wir einen Krieg verloren haben."
Drei Wochen später fielen die Schüsse von Sarajewo , die den zweiten dreißigjährigen Krieg eröffneten, wie der Fenstersturz des Slavata und Martinitz auf dem Prager Hradschin den ersten ausgelöst hatte. Man sagt immer, die Geschichte wiederholt sich nicht. In Wahrheit ist es das einzige, was sie tut.
Aber warum war das Thronfolgerpaar, obzwar gewarnt, nach Sarajewo gegangen? Ernstzunehmende Geschichtsforscher behaupten, es wäre unter dem Einfluß der Frau geschehen, die unter dem Donner von Kanonen in eine Stadt einziehen wollte, was nach der höfischen Etikette nur dem Souverän gebührte, aber dem Thronfolger ausnahmsweise zugestanden worden war, weil er in Vertretung des„ Allerhöchsten Kriegsherrn" die Manöver in Bosnien leitete. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der unterdrückte Ehrgeiz einer moralisch mißhandelten Frau in diesem Fall wie in manchem anderen Schicksal wurde. Einmal im Leben will am Ende jeder von uns, figürlich gesprochen, unter dem Donner der Kanonen in einer Stadt einziehen. Und die arme Herzogin von Hohenberg, die das Unglück gehabt hatte, nur eine Gräfin zu sein, hatte so lang auf die Erfüllung


