Meine Studentinnen wurden mir durch die Reichsfrauenführung abspenstig gemacht und meine jeweils neuen Lehrpläne von Semester zu Semester an deren Lehrstätten nachgeahmt. So erklärten mir z. B. schon im ersten Semester die Studentinnen, als deren Sprecherin sich die Fachschaftsführerin Anneliese Cremer hergab, sie müßten aus meinem Seminar wieder( es waren 5 Wochen verstrichen) austreten, da die Reichsfrauenühfrerin Scholtz- Klink persönlich sie aufgefordert habe, an ihrem neu eingerichteten volkswirtschaftlichen Kursus in der Reichsfrauenschule des Deutschen Frauenwerks in Berlin- Wannsee teilzunehmen, dort werde dasselbe gemacht wie bei mir nämlich praktische Haushaltsuntersuchungen. Durch Stipendien wurden die Studentinnen gefügig gemacht.-Mühsam hatte ich mir 50 Berliner Familien gesucht, die bereit waren, den Studentinnen Einblick in ihre Haushaltsführung zu geben und die Fragen der Haushaltsplanung auf weite Sicht mit ihnen nach den von mir ausgearbeiteten Richtlinien, Fragebogen usw. zu erörtern. Da ich dann fast nur noch männliche Hörer hatte, mußte ich das Programm ändern. Das erhöhte jedoch meine Freude an der Arbeit.
III. EINKEHR
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1936 war es mir endlich gelungen, mir ein eigenes Heim aufzubauen. ,, Klein aber mein" steht am Giebel meines Elternhauses in Schlesien . Dasselbe empfand ich auch in meinem trauten Heim in der Wilhelmstraße 135. Wie oft hielt ich dort während der 12 Semester mein Seminar ab, und zwischen den Seminarsitzungen noch oft private Arbeitssitzungen.„ Wir arbeiten für das, innere Reich", sagte einmal eines meiner Seminarmitglieder( Bartram) zu mir ,,, und Sie sind das trojanische Pferd, mit dem wir durchbrechen. Landfluchtbekämpfung" war der Grundgedanke einer Arbeit an der Universität. Mein ,, Raumforschungsbericht zur Frage der Landfluchtbekämpfung" vom Jahre 1937( den ich als einziges von vielen Manuskripten retten konnte), hat allen zuständigen Regierungsstellen vorgelegen, ist aber nur propagandistisch ausgewertet worden. In Wirklichkeit wurde auch das Land mit in den entseelenden Mechanisierungsprozeß hineingerissen, den wir als ,, Verstädterung" bezeichnen. Anstatt urgesunde Zustände, vor allem auch Sauberkeit im eigenen Volke zu schaffen, wurde unter Verunglimpfung der Konkurrenz das Schwergewicht auf die Eroberung der Weltmärkte gelegt, was unweigerlich zum Weltkrieg führen mußte.
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Ich warnte vor der überkapitalistischen Entwicklung und gab in vieler Hinsicht praktische Beispiele für die Umkehr. So hatte ich u. a. im Jahre 1936 der damals noch immer schwer notleidenden Gemeinde Ottendorf in der Sächsischen Schweiz mit Hilfe von Fachleuten einen ausführlichen Selbsthilfeplan ausgearbeitet, den das ganze Dorf begrüßte, aber die Partei sabotierte. Es handelte sich um einen Plan zur Entwicklung der Gemeinde als Luftkurort bei gleichzeitiger Hebung des Obst- und Gemüseanbaues. Dies nur ein Beispiel für viele.
In meiner Arbeit war ich unbeschreiblich glücklich, denn ich hatte in der Tat einen eigenen Weg gefunden, die Irrlehren der Wirtschafts- und Sozialwissenschaft, und damit der Politik schlechthin aufzudecken.
Treulich zur Seite stand mir in all diesen Jahren die Vorgeschichtlerin Ida Hahn, Schwester des Wirtschaftsgeographen Eduard Hahn . Auch Hugo Kükelhaus, Dr. Otto Brendel und viele andere Mitarbeiter und Freunde aus jener Zeit werden mir immer unvergeßlich bleiben. Seit jenem furchtbaren 4.6. 1942 habe ich nie wieder etwas von ihnen gehört. ,, Probesterben" nannten wir die Zeit im K.Z.
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