nach unserer Sühnezeit auch einsehen lernen: Man darf und kann die Deutschen als Volk nicht einfach gleich- : setzen mit diesen Naziverbrechern.
Schließen möchte ich dieses Buch mit dem Auszug eines Artikels von Ernst Wiechert , der am 2. Okto- ber 1945 im„Hannover 'schen Kurier‘ erschienen ist:
„Da stehen wir nun vor dem verlassenen Haus und sehen die ewigen Sterne über den Trümmern der Erde funkeln oder hören den Regen herabrauschen auf die Gräber der Toten und auf das Grab eines Zeitalters. So allein, wie niemals ein Volk allein war auf dieser Erde und gebrandmarkt, wie niemals ein Volk gebrandmarkt war.
Erinnert euch des Vogels im Märchen, der alle tau- send Jahre kommt, um ein Körnchen aus dem Demant- berge zu brechen. Erinnert euch daran, was vor euch steht und daß es in der ganzen Weltgeschichte niemals eine größere Aufgabe gegeben hat als die eurige, das Blut eines Volkes zu erneuern und die Schande von dem Gesicht eines ganzen Volkes abzuwischen. Glaubt nicht an die jahrtausendalte Lüge, daß Schande mit Blut ab- gewaschen wurde, sondern an die junge Wahrheit, daß Schande nur mit Ehre abgewaschen werden kann, mit Buße, mit Verwandlung, mit dem Wort des verlorenen Sohne:„Vater, ich habe gesündigt, ich will hinfort nicht mehr sündigen.”
Klagt nicht, daß wir barfuß gehen werden, daß wir hungern werden, daß der Richter über uns sitzen wird bei Tage und bei Nacht. Blickt dem Schicksal in die Augen, wie die Märtyrer der Lager es getan haben.
Ist es nicht ein schönes Los, das uns zugefallen ist, und können wir nicht fröhlichen Herzens sein, wenn wir uns auf den Weg machen? Und hier an dieser Stelle laßt mich euch noch eines bitten, das Letzte und viel- leicht das Schwerste. In der Zeit, die kommen wird, werden vielleicht einige sein unter denen, die zwölf Jahre lang gesündigt haben, nicht unter den Henkern und Mördern, aber unter denen, die„Hosianna‘ gerufen
202


