werden. Längs durch den Wagen lief ein schmaler Gang, rechts und links von ihm befanden sich kleine Zellen, die zum Teil schon überfüllt waren von männlichen und weiblichen Häftlingen. Was war das für ein Schauer- bild! Die Abteil- oder Zellentüren hatten alle ein kleines Fensterchen, natürlich vergittert, und man sah hinter die- sen Fenstern nur Augen, tiefe, forschende, dunkle Augen, ' abgehärmte, in langer Gefängnis- oder Zuchthaushaft verwelkte, fahle Gesichter mit der richtigen Kartoffel- keimfarbe verurteilter Strafgefangener. Ich wurde in einer Zelle untergebracht, in der normalerweise für vier Häftlinge Platz war, aber es befanden sich schon sechs bis sieben Frauen mit ihrem Gepäck darin. Man lag fast übereinander. Mir war das alles neu, darum auch ergriff es mich tief. Jede wollte nun wissen, woher ich kam, warum ich in Haft sei und ob auch ich ins Konzentra- tionslager überführt würde.... Ach, und mir fiel das Reden und Antworten so schwer. Bald merkte ich aus der ganzen Art und dem Gehabe, daß ich mich nur unter Dirnen befand. Ich war recht einsam zwischen ihnen. Der Zug fuhr sehr langsam, hielt oft und lange. Neue Häftlinge kamen hinzu. Aber wir konnten nicht einmal hinausschauen und feststellen, wo wir uns denn über- haupt befanden.
Endlich am Abend kamen wir in Hannoveran, wo wir ausgeladen wurden. Nach meiner Schätzung waren es über hundert Gefangene männlichen und weiblichen Ge- schlechtes. Darunter ein junger, an den Händen gefes- selter Priester. Wir mußten wohl eine halbe Stunde, in Reihen zu Vieren aufgestellt, auf dem Bahnsteig war- ten, der Neugier einer glotzenden Menge ausgesetzt, bis endlich ein Riesenaufgebot von Polizeiwachtmeistern mit dressierten Polizeihunden kam und wir abgeführt wur- den, gefolgt von tausend Augen, die alle auf unser Elend starrten. Ich dankte dem Himmel, daß keiner meiner Lieben mir auf diesem Kreuzweg begegnete. Und diese Hunde, diese Hunde! Ich konnte es nicht fassen. Mußte das denn auch noch sein?——
Vor dem Bahnhof standen mehrere Lastwagen, in die
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