Es gibt ein gewisses Milieu, eine Atmosphäre, die sich dir mitteilt, wenn du in ein Haus, eine Gemeinschaft kommst.

Wer wie ich durch viele Zuchthäuser und ähnliche derartige ,, Gemeinschaften" geschleift wurde, bekommt eine Witterung für die Dinge. Da sind lauter Kleinigkeiten, etwa: wie ein Gefangener einen vorübergehenden SS- Mann grüßt, wie ein Ausländer mit einem Deutschen spricht, wie die Betten gebaut sind und dergleichen, die Tonart, die Lagersprache kurz alles das vermittelt ein Bild,

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welche Elemente hier den Ton bestimmen.

Bis zum Nachmittag hatte ich folgendes beobachtet: der Blockälteste Arthur, ein Rotwinkel mit niedriger Nummer, hatte drei Ausländer verprügelt, und zwar mit einem Knüppel.

Der Stubenälteste Heinrich, ein Rotwinkel und wie ich später erfuhr, Bergmann aus Duisburg und Bekannter von Tünnes kochte sich sein Mittagessen( Bratkartof­feln mit Fleisch und Rotkraut) auf seinem elektrischen Kocher, während die übrigen Gefangenen den Schweine­fraß vorgesetzt bekamen.

Unsere zehn Kapos bekamen einen Extratisch und einen eigenen Hausknecht zugewiesen. Sie bekamen so viel Essen wie sie wollten, aber die meisten holten aus ihren Rucksäcken eigene Lebensmittel Konserven, Wurst, Butter

heraus.

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Am Abend war mir klar geworden: hier regiert BV*)! Die nächsten Tage sollten mir weiteren Aufschluß geben. Bereits am folgenden Morgen diktiert mir der Block­älteste eine Stunde Kniebeuge, da ich, als er mich an­sprach, die Hand in der Hosentasche behielt.

*) Häftlingskategorie ,, Berufs- Verbrecher" mit grünem Winkel im Gegensatz zu den politischen Gefangenen mit rotem, Bibelforschern mit violettem, Asozialen mit schwarzem Winkel.

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