Ich vertrat den Standpunkt, daß die Bourgeoisie nach wie vor genügend Druckhebel in der Verwaltung und ins- besondere in der Armee besaß, um ihren Willen durchzu- setzen. Wenn der Krieg begonnen wurde im Interesse der herrschenden Klasse, dann mußte diese Klasse auch sein Ende bestimmen können oder jede geschichtliche Logik hatte ihren Sinn verloren.

Aber das Attentat vom 20. Juli? Zeigte sich nicht ge- rade hier, daß die Bourgeoisie Hitler abschütteln wollte, daß es aber zu spät war, weil sie inzwischen ihre Macht aus den Händen gegeben hatte? Ist heute nicht offenbar geworden, daß Hitler und seine Partei Amok läuft?

Freunde, antwortete ich ihnen, der Putsch ist miß- glückt, weil die entscheidenden Teile der Bourgeoisie eben gerade nicht hinter den Putschisten standen, sondern auch heute noch Hitler stützen. Es waren nur einige oppositionelle Elemente, die das Attentat organisiert und getragen haben. Denn, so argumentierte ich weiter, es ist vollkommen absurd, anzunehmen, daß eine so mächtige Klasse wie das deutsche Finanzkapital die Kontrolle über ihre eigenen gewaltigen Produktionsmittel aus der Hand geben sollte.

Warum sich das Kapital entschlossen hat, bei Hitler bis zum Schluß auszuharren, war mir allerdings unklar. Denn von einer Hoffnung auf Wende des Kriegsglücks konnte nicht gut mehr die Rede sein. Und daß bei den wohlinformierten Politikern von Kohle und Chemie die

Hoffnung auf eine Spaltung der Alliierten bestand eine Ansicht, die nicht einmal in unseren Reihen einen ein- zigen Tag ernsthaft Fuß fassen konnte war noch weni-

ger anzunehmen.;

Wie gesagt: Diese Frage mußte ich offen lassen. Aber mir scheint, daß nach den Aussagen des Wirtschafts- ministers Funk in Nürnberg sich meine Ansicht als zu- treffend erwiesen hat.

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