eingehüllte Gestalten, mit geschorenen Köpfen und eingefallenen Gesichtern, dahin. Manche trugen einen Arm in der Armbinde, einige hatten bandagierte Köpfe. Alle waren derartig geschwächt, daß sie sich kaum auf den Beinen halten konnten und sich auf den Boden hockten oder setzten.
Janina, eine frühere Pflegerin, schwer lungenkrank, wird von ihren Kameradinnen auf der Bahre hergebracht und in den Schatten gestellt. Von allen Seiten strömt das grau- nackte Publikum. Das gleißende Sonnenlicht scheint unbarmherzig auf das ganze Leid und Elend dieses menschlichen Siechtums herab. Die erdfarbenen, fahlen Gesichter der Kranken und die frischen, rotbäckigen Musikerinnen, welch ein Kontrast! Die Walzermelodie ist verklungen. Begeisterter, anhaltender Beifall, voller Dankbarkeit leuchten die Augen der Kranken. Die Dirigentin klopft mit dem Stab an das Pult, hebt die Arme und verharrt einen Moment, das Orchester spielt ,, Solveigs Lied" von Grieg . Unter diesen wehmütigen, zu Herzen gehenden Klängen neigen sich die Köpfe der Zuhörerinnen im weiten Kreise. Es folgt ein Duett: ein fröhliches Operettenlied. Eigenartig wirkt dieses im Kabarettstil vorgetragene Couplet. Inmitten der grauen Schatten dieser menschlichen Gestalten vergaß ich, ganz in die Musik vertieft, meine Pflastersteine. Plötzlich fühlte ich, wie sich jemand über mich beugte. Vor Schreck zuckte ich zusammen und erstarrte fast: der diensthabende SS- Mann ,,, Weißhälschen" genannt. Ich fürchtete, eine Tracht Prügel zu bekommen, aber nein. Er neigte sich noch tiefer zu mir herunter und sagte: ,, Du mußt arbeiten, du darfst der Musik nicht lauschen, das Konzert ist nicht für euch, sondern für die Kranken bestimmt. Verstanden?" Ich nickte zustimmend, nahm eiligst meine Pflasterarbeit wieder auf. Einen Augenblick blieb er noch in meiner Nähe stehen, dann entfernte er sich wieder. Mit dem linken
84


