werden, und zusehends ließen ihre Anstrengungen und Lei- stungen nach. Stundenlang konnte sie auf ihrem mittleren Etagenbett sigen, mit den Beinen schaukeln und philoso- phische Reden führen:
„Das Allerwichtigste ist, das Lager zu überstehen. Das ist hier nun schon mal so, keiner sollte sich um den anderen scheren, denn jeder ist allein und hat mit sich zu tun. Wenn man sich nicht selbst zu helfen weiß, ist man verloren.“
In dem Bett unter ihr lag eine Schwerkranke mit Typhus und Nierenkomplikationen. Die Ärztin hatte diese lebensgefähr- lich erkrankte Frau Pelagias besonderer Obhut anempfohlen und angeordnet, sie sollte ihr öfter etwas zu trinken geben, es sei das einzige, was sie vielleicht noch retten könnte. Pelagia lachte die Ärztin liebenswürdig an und versicherte ihr dienst- beflissen, alles tun zu wollen, aber sie dachte gar nicht daran oder wollte nicht daran denken. Die bewußtlose Kranke lag mit einem ganz verschwollenen Gesicht da, schnappte ab und zu wie ein Fisch nach Luft, stammelte manchmal einige unver- ständliche Laute oder streckte hilfeflehend die Arme aus.
„Pelagia, gib doch der Frau unter dir etwas zu trinken“, baten die Nachbarinnen in den anderen Krankenbetten, ‚sieh
“
doch, wie sie sich quält...
Pelagia aber rührte sich nicht von ihrer Lagerstätte, unter- brach für einen Augenblick das Gesumme eines Liedchens oder ihre üblichen philosophischen Betrachtungen, sah kalt und mit- leidlos auf die Kranke herunter und gab als Antwort:
„Ihr Wasser geben, wozu? Sie sehen doch selbst, daß es.mit ihr zu Ende geht, wozu soll sie sich noch länger quälen?“
„Pelagia. es ist frevelhaft, so zu reden.“
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