tode errettet. Die ihr aufgetragenen Bestellungen erledigte sie mit Windeseile, unbekümmert lief sie zwischen den Totenbahren einher, auch die ewig rauchenden Schornsteine bemerkte sie nicht und ahnte nichts von dem Schicksal der Tausende, die täglich umgebracht wurden. An warmen Sommertagen zog sie sich oft zwei- bis dreimal um, immer wieder sah man sie in neuen Kleidchen, gewiß ahnte das Kind nicht, woher sie stammten, daß man sie ihren Altersgenossinnen, die eben verbrannt worden waren, ausgezogen oder aus deren Gepäck herausgenommen hatte.
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Von weitem war die Gestalt dieser Kleinen meinem Töchterchen so täuschend ähnlich, daß sich mir jedes Mal, wenn ich sie sah, das Herz zusammenkrampfte. Mit einer inneren Unruhe wartete ich jeden Morgen, ob die kleine„ Läuferin" wohl wieder auf der Lagerstraße vergnügt herumspringen würde, oder ob etwa in der Nacht... Doch Gottes Gnade geht wunderbare Wege... Solch ein fröhliches, hübsches Kind aber war eine gute Lagerreklame bei der Ankunft von Neulingen. Bei dem Anblick dieses sorglos spielenden, sich in Freiheit tummelnden Kindes erfüllten die Herzen keine bösen Ahnungen vor dem verhängnisvollen Gang zum Bad auf dem Weg in das Krematorium. Bis zum letzten Augenblick meines Aufenthalts in Auschwitz ging es der Kleinen ,, ausgezeichnet". Außer diesem kleinen Mädchen sah man eine Zeitlang in der Wache am sogenannten„ Tor" einen entzückenden dreijährigen Zigeunerjungen, wie aus Schokolade. Er war der Liebling der SS- Frauen, denen man oft mit dem Kleinen auf dem Arm mit seinem unzertrennlichen Teddybären begegnete, oder er stand vor der Wache und salutierte, sobald ein Deutscher durch das Tor ging. Die Karriere dieses niedlichen, kleinen, in der Wache diensthabenden Zigeunerchens ging jedoch nach einigen Wochen zu Ende. Er starb. Fast unmittelbar darauf wurde jedes
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