der Hausmeister die Mitteilung machte, daß mich ein Gast in der Kantine dringend erwarte. Nach dem freundlichen Lächeln des Hausmeisters zu urteilen, konnte es sich nur um einen sympathischen Menschen handeln. Eilig ging ich also in die große Speisehalle, und sofort erkannte ich Marysia, die, ,, so als ob nie etwas gewesen wäre", gerade im Begriff war, ein Kotelett zu essen und von Kollegen und Kolleginnen umringt war.

Jedesmal, wenn ich meinen Bekannten, die von ihrem mehr­jährigen, schicksalsschweren Lageraufenthalt zurückkehrten, begegnet bin, zwang mich eine innere Notwendigkeit, den Gesichtsausdruck des oder der Zurückkehrenden eindringlich und aufmerksam zu betrachten. Es war menschliche Teil­nahme, zugleich mit dem interessierten, fragend- forschenden Blick des Schauspielers verbunden. Im Falle Marysias inter­essierte mich ihr Aussehen, nach der ersten herzlichen Be­grüßung, natürlich ganz besonders. Sowohl mir wie auch allen anderen bereitete ihr Anblick eine überaus große Über­raschung, so daß wirklich jeder erfreut ausrief: ,, Wie gut siehst du aus!" Nicht lange war es uns vergönnt, uns an ihrem guten Aussehen zu erfreuen.

Auffallend und bewunderungswürdig war Marysias Zurück­haltung in ihren Äußerungen über die erlittenen Torturen, über Auschwitz . Sie liebte es nicht, darüber zu sprechen, jemanden mit ihren Erinnerungen zu beeindrucken. Nicht etwa aus dem Grunde, weil es ihr schwerfiel, von diesen Erlebnissen zu reden, oder weil sie vielleicht nicht in der Stimmung war, sondern nur aus ihrem subtilen Empfinden heraus, daß sie zu den wenigen Überlebenden gehörte, wäh­rend so viele ihrer Kolleginnen mit unendlich vielen anderen Leidensgenossen ums Leben gekommen waren. Ihr Vertrauen zum Leben und ihre Menschenliebe ließen ihr Lächeln unver­

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