gewaschen. Die Folgeerscheinung ist meistens Lungenentzündung und Tod.
Ich habe einige Namen genannt. Nicht vergessen möchte ich einen Häftling, den blinden Franz aus Leipzig . Er war seit seiner Jugend blind. Das hinderte nicht, daß er im Alter von 50 Jahren als politischer Häftling Zuchthaus und Konzentrationslager kennen lernen mußte. Ich erinnere mich gerne der Unterhaltungen mit diesem geistig hochstehenden Menschen.
Das Jahr 1939 bringt politische Hochspannung. Europa fiebert, die Welt ist beunruhigt. Hitler droht in seinen Reden mit Einsatz seiner Machtmittel. Wir wissen, daß dieser Einsatz den Krieg bedeutet. Der Schicksalsweg, seit 1933 für die Sehenden klar erkenntlich, führt in den Abgrund. Die Sehenden schaudern, die Blinden brüllen, wenn Hitler seine mit starken Ausdrücken gespickten Reden vor dem Forum der Welt hält.
Die deutsche Armee ist in der Tschecho- Slowakei eingedrungen und drängt nach Goebbels siegreich vorwärts.
500 tschechische Geiseln, das sind Minister, Generäle, Offiziere und höhere Verwaltungsbeamte, erhält Buchenwald als Lagerzuwachs. Sie werden gleich uns auf die Arbeitskommandos verteilt. Der Steinbruch fordert von ihnen die ersten Todesopfer. Nach einigen Tagen kommt eine Verfügung höheren Ortes, daß sie vom Arbeiten befreit sind. Sie werden, gemessen an unserem menschenunwürdigen Dasein, als wirkliche Schutzhäftlinge behandelt, treiben Sport und können von ihren Angehörigen auch Pakete erhalten.
Dann beginnt der Feldzug in Polen . Zunächst werden 1000 Juden, davon 300 aus Czenstochau , eingeliefert. Innerhalb des Stacheldrahtzaunes an der Ostseite des Appellplatzes wird ein kleines Lager mit einigen Baracken errichtet, welches 2500 Polen aufnimmt.
Wir alten Lagerinsassen wissen, was es zu bedeuten hat, daß diese Neuankömmlinge ihre Kleidung auf dem Appellplatz ablegen müssen, um angeblich wegen Läusen verbrannt zu werden. Wir wissen, sie werden die Freiheit nicht wiedersehen. Ihre Spuren werden von vornherein beseitigt.
Diese 2500 Polen sind meistens Grundbesitzer, welche nach Hitlers Wahn den Volksdeutschen Platz machen müssen, um im Konzentrationslager zu sterben. Jugendliche von 15 Jahren aufwärts befinden sich unter ihnen. Die Methoden zum Ausrotten sind so gesteigert, daß sie, verübt an diesen wehrlosen Menschen, bei uns, die wir schon an viel Grausames gewöhnt sind, Entsetzen und Schrecken auslösen. Es ist Hitler , der als Wahnsinniger befiehlt, es sind Hunde, Jagd- und Bluthunde in Menschengestalt, welche die Verbrechen verüben.
Ich wünsche, die Augen verschließen zu können, um nicht noch mal die Bilder zu sehen, welche in der Erinnerung auftauchen. Und doch
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