und tritt sie dann solange, bis sie sich wieder aufrichten. Massenweise fliegen die Brieftaschen umher, werden von der SS aufgehoben und auf ihren Inhalt untersucht. Jeder bereichert sich. Nachts werden mit Hilfe des dritten Lagerältesten Richter, des Henkers von Buchen­ wald , einzelne Juden, von denen man weiß, daß sie wesentliche Sum­men oder Wertgegenstände im Besitz haben, aus der Baracke heraus­getrieben und niedergeschlagen, um sie dann als Tote zu berauben. Die Tragödie formt sich immer entsetzlicher. Bei diesen neuen Ba­racken I A bis 5 A sind noch keine Abortgruben, es ist kein Wasser zum Trinken vorhanden, sie schreien vor Durst und der Unrat wächst. 10 000 Menschen sind in den fünf Baracken untergebracht. Sie dürfen nicht aus den Käfigen heraus und so beginnt in den Baracken bereits ein Kampf, der dem Ringen mit dem Tode ähnlich sieht.

Für ein Glas Wasser werden Summen geboten. Es setzt Regen ein. Von der Bedachung ablaufendes Regenwasser wird in Gefäßen, Kon­servenbüchsen und Kopfbedeckungen aufgefangen und getrunken. Abortgruben sind nicht vorhanden. Die Häftlinge sollen die Baracken nicht verlassen. An den Türeingängen spielen sich Szenen ab. Die Wachmannschaften drängen die Menschen in die Baracken zurück. An den folgenden Tagen hören wir sehr häufig den Rapportführer Hackmann mit seiner schnoddrigen Stimme im Lautsprecher die Be­fehle und Anweisungen erteilen. Er leitet seine Anordnungen immer ein mit der Ankündigung: ,, Baracken 1 A bis 5 A herhören." Die Baracken IA bis 5 A sind innerhalb des Lagers nochmal mit Stacheldraht inmitten des großen Stacheldrahtzaunes abgegrenzt. Häftlinge, welche zum Essenverteilen dieses kleine Lager betreten, berichten grauenhafte Bilder. In den von Juden schnell gegrabenen großen Abortgruben befinden sich schon einige in den Gruben Um­gekommene. Neben diesem Judenlager steht die alte jetzt unbenutzte Lagerküche. Die Inneneinrichtung besteht aus einem Betonbottich, durch welchen fließendes Wasser läuft. Zwischen Bäumen auf rohe Pfosten ist ein provisorisches Dach gesetzt, die Wände sind an Pfosten und Bäume genagelte Dachpappe.

Diese alte Küche ist wohl der schrecklichste Ort, in den ich jemals hineingeschau habe. Ein Kamerad machte mich darauf aufmerksam und zeigte mir eine Stelle, an welcher ein Stück eingerissene Dach­pappe den Einblick ermöglichte. In diesem Raum befanden sich an die 200 irrsinnige Juden, irrsinnig geworden durch die Wucht der Eindrücke, unter der sie zusammenbrachen.

Sie sind gefesselt. Ein jüdischer Schutzhäftling, ein Arzt, bemüht sich um sie. Von Zeit zu Zeit hält er den Gefesselten und Angeketteten einen Becher mit Trinkwasser an den Mund. Sie trinken, ihre Augen starren, sie stöhnen, sie schreien. In dem zerstampften Lehmboden der Küche liegen Tote. Ueber sie wird hinweg gestiegen oder gestol­

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