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nach Dachau und Flossenbürg. Warum wollen sich die Häftlinge nicht evakuieren lassen? Der Blockälteste von 25 berichtete als Erster. ,, Die Häft­linge fürchten sich vor englischen und amerikanischen Tieffliegern, die Eisen­bahnzüge und Kolonnen auf den Straßen beschießen." Wir konnten nicht sagen, daß die SS die Häftlinge erschießt, das war noch mit Todesgefahr verbunden. Als zweiter bekräftigte ich die Ausführungen meines Kamera­den Kottbauer vom Block 25 und fügte noch hinzu ,,, die verwundeten Häft­linge werden von der SS auf den Landstraßen in ihrem Zustande liegen­gelassen." ,, Auf den Landstraßen liegen tote Häftlinge", das erzählten die aus anderen Lagern angekommenen Häftlinge im Lager. Das hat sich herumgesprochen, alle Häftlinge fürchten sich vor der Evakuierung und weigern sich, anzutreten. Zweitens, das Lager bekam heute noch kein Mittag­brot, alle sind hungerig und fürchten sich, unterwegs zu verhungern." Dar­auf schaltete sich der Verwaltungsführer Barnewald ein und sagte, die Häft­linge sollen antreten, dann bekommen sie zu essen. Der Kommandant sagte kurz: ,, Ich gebe Ihnen bis 14 Uhr Zeit. Um 14 Uhr kommen 500 bewaffnete SS- Leute ins Lager und werden die Häftlinge mit Waffengewalt hinaustrei­ben. Gehen Sie auf die Blocks und sagen Sie es Ihren Leuten in allen Sprachen." Es war 13.30 Uhr und wir gingen auf die Blocks und teilten es mit. Alle Kameraden antworteten einstimmig: einstimmig: ,, Wir lassen uns nicht evakuieren."

Ich hielt auf jedem Flügel eine Ansprache in Russisch und Deutsch, es wurde ins Französische übersetzt. ,, Kameraden, überlegt es euch, wenn die SS ins Lager kommt, dann wird sie nicht zu euch sprechen wie ich, sondern dann werden die Waffen sprechen. Ich will mir nicht von euch vorwerfen lassen, daß ich an eurem Tode schuldig bin. Alle Kinder und Kranken auf meinem Block, die am Kampf nicht teilnehmen können, können wählen, sie haben noch 10 Minuten Zeit. Etwa 40 Mann traten aus dem Block, alles andere, es waren über 700 Mann, blieben im Block.

Um 14.10 Uhr, etwa 12 Blockführer kamen ins Lager und begannen, Block 49 und 44 mit wildem Schießen zu räumen. Zwei Mann auf Block 49 wurden angeschossen. Alle Häftlinge traten unter den Schlägen der SS vor ihren Blocks an und gingen zum Appellplatz. Es war ein Durcheinander im ganzen Lager. Wir hatten aber Zeit gewonnen. Darauf kam es an. Die amerika­nische Armee kam immer näher an Buchenwald heran. Wir sabotierten weiter. Es sollten zum Fußmarsch geeignete Häftlinge antreten. Die Kamera­den aus dem kleinen Lager waren krank. Sie wurden von der SS wieder ins Lager zurückgeschickt. Man wollte andere haben, das dauerte wieder einige Stunden. Wir gewannen wieder Zeit. Am 7. April konnten durch unsere Sabotage statt des ganzen Lagers, wie es von der SS vorgesehen, nur

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