Hermarsches. ,, Das Schrecklichste war der Hunger und der Durst. Alle waren wir zum Umfallen müde. Die SS- Posten, trieben uns mit Gewehrkolben zur Eile. Wir hörten Geschützdonner hinter uns. In der Nacht kampierten wir auf freiem Felde. Kameraden, die flüchten wollten, wurden ohne Anruf erschossen. Dann ging es am frühen Morgen wieder weiter. Wer nicht weiter konnte, wurde von der SS erschossen und im Straßengraben liegengelassen. Viele, die nur ihre Holzschuhe in Ordnung bringen wollten, weil sie durch den langen Fußmarsch unbequem wurden, bekamen sofort einen Kopfschuß. Flucht war fast unmöglich, weil in den Dörfern Hitlerjugend mit Maschinenpistolen patroullierte, die auf jeden sich entfernenden Häftling sofort Jagd machte und ihn umlegte. Nur ganz wenigen gelang die Flucht. Eine genaue Angabe der unterwegs Erschossenen ist unmöglich, doch sind es Hunderte nach Zeugenaussagen."
Wir Häftlinge von Buchenwald waren über die nationalsozialistische Evakuierung der Konzentrationslager im Bilde. Unsere illegale antifaschistische Organisation suchte nach Möglichkeit eine Evakuierung Buchenwalds zu verhindern. Am 1. April 1945 begann die SS mit der ersten Provokation dem Lager gegenüber. Der polnische Kamerad Bruno Falkenberg, Capo in Halle 8 der Gustloff- Werke, wurde um 11 Uhr vormittags in Arrest gesperrt. Auf Veranlassung des Oberingenieurs Saupe und Direktor Tänzer wurde dem Antifaschisten Sabotage an der Kriegsproduktion vorgeworfen. Bruno Falkenberg, der in der polnischen Gruppe unserer internationalen Organisation im Lager ein Aktivist war, erzählte mir über seine Sabotagearbeit folgendes: Wir sabotierten, wo wir nur konnten. Gute Spezialisten wurden vom Krankenbau krank geschrieben. Zehntausende von Teilen für automatische Gewehre wurden auf der Drehbank 1 mm zu schwach gedreht und dadurch Material verbraucht und die Produktion von Waffen verlangsamt. Oft wurde ich ins Büro des Direktors gerufen. ,, Falkenberg, Sie sind Capo in der Halle 8, sehen Sie sich diese Schweinerei an. Die Teile sind zu schwach gedreht. Ich erstatte Meldung wegen Sabotage."
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Hier mußte ich einspringen. Ich sagte: ,, Herr Direktor, sehen Sie sich die Zeichnungen, nach denen wir arbeiten müssen, an, und zweitens sind die Häftlinge an den Drehbänken keine gelernten Facharbeiter." Falkenberg, der bis zum 11. April im Arrest war, erzählte mir: ,, In der Nacht vom 10. April wurden 24 Häftlinge in ihren Zellen, im Waschraum und auf dem Flur von der SS niedergemetzelt. Fürchterliche Todesschreie weckten mich in dieser Nacht. Darunter befand sich eine Frau, drei Italiener, neun Sowjet- Russen und elf mir Unbekannte. Am 10. April morgens zwang mich die SS, ihre von Blut getränkten Drillichanzüge zu waschen. Am 11. April vormittags verbarrikadierte ich meine Zellentür mit Holzkeilen,
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