Unterhaltungen über die politische Lage und unsere Aufgabe als Häftlinge. Selbstverständlich wurde zu diesen Spaziergängen nicht jeder herangezogen, sondern nur solche Kameraden, von denen wir bereits vor 1933 und dann auch nachher aus dem Zuchthaus oder KZ die Gewähr der Zuverlässigkeit kannten. Wenn einzelne Kameraden wegen politischen Gesprächen, die streng verboten waren, denunziert wurden, dann hatten sie sich mit einem Unberufenen ins Gespräch eingelassen. Sie hatten in ihrer verhaltenen Wut gegen den Fa­schismus für einen Moment die konspirativen Regeln außer acht gelassen. Noch einzelne denkwürdige Taten der Faschisten, die uns zu größerem Akti­vismus anspornten: Friedrich Bogdan aus Dortmund, Vater von mehreren Kindern, Elektriker von Beruf, ein biederer Antifaschist, wurde im Stein­bruch beim Verrichten seiner Notdurft erschossen. Das war am 17. 8. 1937. Eine ebensolche Hinterhältigkeit ereignete sich ein paar Monate später. Am 3. Januar 1938, nachts, flüchteten zwei BV- Häftlinge aus der Kommandantur­Heizung, wo sie beschäftigt waren; am Morgen des 4. 1. wurde die Flucht entdeckt. Die Sirene heulte und SS- Leute trieben das gesamte Lager aus den Betten auf den Appellplatz. Es war sehr kalt und schneite. Weiseborn befahl, die Jacken auszuziehen und die Mützen abzunehmen. So standen wir volle 10 Stunden. Durch die Körperwärme schmolz der Schnee und wandelte sich an Wimpern und Ohren zu Eiszäpfchen. Um 13 Uhr wurden 2 Särge an uns vorbeigetragen. Darin lagen die geflüchteten Häftlinge, von Hunden zer­fleischt, jeder mit einem Kopfschuß. Ein grausiger Anblick. Da die SS durch die nächtliche Suchaktion ermüdet, in die Kasernen zur Ruhe ging, durften auch wir in unsere Baracken. Doch wir bekamen nichts zu Essen. Seit dem 31. 7. 1937 befanden wir uns im Lager und erst am 11. 1. 1938 erlaubte man uns, zu baden. Ein halbes Jahr ohne Bad! Erst freuten wir uns darauf, kamen aber enttäuscht vom Lager zurück. Alle 10 Minuten wurden 50 Mann abgefertigt und zwar mit kalten Duschen, im Januar bei 5 Grad Celsius.

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Die Lagerführung benutzte mit Vorliebe als Vorarbeiter und Capos kriminelle Elemente, weil sie wußte, daß diese Häftlinge über keine Weltanschauung und meist auch keinen Kollektivgeist verfügten und daher leider in vielen Fällen dem Druck der SS nachgaben und sich gegen ihre eigenen Kameraden wandten, um ihre persönliche Lage zu verbessern. Deshalb richtete sich ein anderer Zweig unserer Politik dahin, diese kriminellen Elemente auszu­schalten und zuverlässige Antifaschisten an solche Positionen zu bringen. Ein sehr wichtiges Arbeitskommando war zu dieser Zeit der Steinbruch. Es gab keinen Tag, wo nicht Kameraden dort erschossen oder zu Tode gehetzt wur­den. Wenn nun der Capo dieses Kommandos die Vernichtungsbestrebungen der Nazis unterstützte oder zumindest nicht zu vereiteln versuchte, so bestand

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