zienblüten. Sonntagabend. Die Straße zur Endstation faßte kaum den überquellenden Strom der vom Ausflug zurück- kommenden Menschen. Sie waren laut, fröhlich, wohltuend müde, umfangen von Sonne und Wasser und von den Armen ihrer Geliebten nur den Tod, den dauernd umgehenden und auch unter sie zielenden Tod konntest du auf ihren Ge- sichtern nicht sehen. Sie wimmelten, beweglich und lieb wie Kaninchen. Wie Kaninchen! Greif unter sie und zieh eines für deinen Appetit heraus sie ziehen sich in den Winkel zurück, aber einen Augenblick später wimmeln sie weiter mit ihren Sorgen, mit ihren Freuden, mit ihrer ganzen Lust am Leben.

Ich war plötzlich aus der eingemauerten Welt des Gefäng- nisses in diesen mitreißenden Strom versetzt, und seine süße Seligkeithatte für mich einen bittern Geschmack.

Zu Unrecht, zu Unrecht.

Das war Leben, was ich hier sah, das, aus welchem ich kam, und das hier; insgesamt, ein Leben unter furchtbarem Druck, aber unbesiegbar, erschlagen in einem und in hunderten wach- send. Leben, das stärker ist als der Tod. Und das soll bitter sein?

Übrigens: wir, wir in den Käfigen, unmittelbar in diesem Grauen waren wir aus anderem Holz?

Ich fuhr einmal zur Vernehmung in einem Polizeiauto, in dem sich die Wache gut benahm. Ich sah durch die Fenster auf die Straße, auf die Schaufenster der Geschäfte, auf einen Blumenstand, auf die Fußgänger, auf die Frauen. Wenn ich neun Paar schöne Beine zähle, sagte ich mir einmal, werde ich heute noch nicht hingerichtet. Und dann zählte ich, be- trachtete und verglich, prüfte sorgfältig ihre Linien, anerkannte und verwarf mit leidenschaftlichem Interesse, nicht als ob mein Leben davon abhinge, sondern als ob es überhaupt nicht ums Leben ginge.

Ich kam regelmäßig spät in die Zelle zurück. Vater Pesek war schon durch die Frage beunruhigt: kommt er überhaupt noch zurück? Er umarmte mich, ich berichtete kurz, was®S Neues gab, wer gestern in Kobylisy gefallen war und dann aßen wir hungrig das abscheuliche Dörrgemüse, sangen fröh-

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