TIluv:
INFERNO
„Weißt Du das?“
„Nein“, sage ich erstaunt.„Außerdem interessiert mich das nicht. Ich halte den Antisemitismus des Dritten Reiches nicht nur für ein Verbrechen, sondern für eine Dummheit, um mit Talleyrand zu reden.“
„Außerdem“, ergänzt Dr. T.,„Antisemitismus schwächt die Moral des Volkes! Und eine Schwächung der Moral ist eine grundsätzliche Schwächung des Staates!“
Er sinnt einen Augenblick ‚Aber das sind für einen europäischen Menschen Selbstverständlichkeiten! Reden wir von etwas anderem.- Wenn ich erst wieder in mei- nem Sanatorium sitze, werde ich alles anders machen in Zukunft! Man weiß ja jetzt erst, was es heißt, zu leben! Ich weiß jetzt erst, was ich an meiner Frau gehabt habe. Ich habe bisher alles falsch gemacht! Alle meine Kleider falsch getragen! Für mich gibt es nur noch ein Ziel- für den Frieden zu arbeiten, den wirklichen Frieden, bei dem solche Greuel wie hier unmöglich sind.“ Er sieht erschreckt auf die Uhr an der Wand. „Du mußt raus, es fällt sonst auf.“ Er öffnet mir selbst die Tür und schaut auf den Gang, während seine Augen nervös zucken.
„Es wird halt schon werden mit Dir“, sagt er begütigend zum Abschied und schlägt mir auf die Schulter. Ich taste mich zurück zu meinem Bett und falle sofort in schweren, traumlosen Schlaf.-
Aber am nächsten Morgen sitzen alle die traurigen Schatten wieder an meinem Bett, Tod, Hunger, Krank- heit. Aber nicht mehr mit der frechen, fordernden
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