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INFERNO
Als wir nach vierundzwanzig Stunden Fahrt unter star- ker SS-Bewachung durch die Stadt marschieren, erkenne ich plötzlich ein junges Mädchen, mit der ich im Frieden in ihrem Elternhause oft zusammen war. Ich sehe ihr Erschrecken, als sie mich im Zuge der Gefangenen auf ein paar Schritte Entfernung vorbeigehen sieht; aber sie faßt sich rasch und winkt mir freundlich zu. Überhaupt steht diese Reise irgendwie unter einem glücklichen Stern. Im Leipziger Zentralgefängnis herrscht eine vorzügliche Ordnung. Trotz der starken Überfüllung ist das Essen gut und.reichlich. Wir sind kaum zwei Stunden im Gefängnis eingeliefert, da werde ich durch einen Wärter herausgerufen. Draußen steht die blonde Siegrid, schleppt ein großes Paket mit Lebens- mitteln und einer Decke. Es war ein besonderer Zufall. daß das Zusammentreffen sich hier in Leipzig ereignete. Denn hier ist das Gefängnispersonal in einer Weise auf die baldige Katastrophe eingestellt, wie ich es an keiner andern Stelle erlebt habe. Mag sein, daß deswegen auch die Behandlung der Gefangenen besonders anständig ist Nach vierundzwanig Stunden geht es weiter im Vieh- wagen nach Dresden . Jedesmal bedeutet eine solche Fahrt ein bis zwei Tage Frieren in dem ungeheizten Waggon. Als Verpflegung nur ein paar Scheiben trocke- nes Brot. Jedesmal brechen einige zusammen und werden mit großer Mühe bis zum nächsten Gefängnis
mitgeschleppt.
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