FERN UND EWIG LEUCHTET FRIEDEN
medaner in meiner Zelle, der jeden Morgen und jeden Abend zwei Stunden lang auf einem kleinen Teppich seine Gebete verrichtet. Er verbeugt sich auf den Knien liegend unaufhörlich nach Osten und berührt mit der Stirn den Boden. Da die Zelle so eng ist, daß er dabei den ganzen Platz des Fußbodens benötigt, muß ich mich unfreiwillig an seinen Gebetsübungen dadurch beteiligen, daß ich während dieser Zeit auf der Pritsche liege. In der Zelle schräg gegenüber ist eine junge Kabarettsängerin. Weswegen sie eingesperrt ist, weiß ich nicht. Sie hat kastanienbraunes Haar und ist zweifellos die hübscheste von den zahlreichen Frauen der Abteilung. Der in meiner Nachbarzelle wohnende moccafarbene Perser ist ihr erklärter Günstling. Die meisten Frauen sind verkommene, geschlechtskranke Berufsdirnen. Auch weibliche Berufsspitzel sind dabei, vor denen Dr. St. mich warnt.
Ab und zu kommen abends angetrunkene SS - Leute, und dann muß die braune Vivian für sie singen. ,, Mach doch die Fetzen runter", sagt einer von den Kerlen mit breitem Grinsen.
Vivian ist großzügig. Nach einer Minute kommt sie wieder aus der Zelle mit einem dünnen, seidenen Morgenrock über dem bloßen Körper und ein Paar roten Stöckelschuhen an den Füßen. Und dann singt sie mit ihrer tiefen Altstimme, als wenn sie auf der Bühne steht, so daß die übrigen Gefangenen an ihre Gucklöcher treten und der Vorstellung zuschauen. Sie singt ihr Lied: ,, Das Karussell geht immer rund herum..." Sie
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