DER PROZESS
ihm seine Zeugenaussage vorhält, die er stockend und widerstrebend auf jede Frage des Vorsitzenden bejaht. Dann Richard, korrekt, ruhig, eigentlich nicht unsympa- thisch, aber primitiv und eng in seiner Auffassung. Per- sönlich sauber und tapfer, kein Zweifel, aber hilflos und eigensinnig sich festklammernd an Befehlen und der offiziellen Parteithese. Kein. eigenes Urteil, unpersönlich und schematisch der Mann wie seine Worte.
Trotz des Einspruchs meines Verteidigers werden die Zeugen vereidigt. Sie sprechen mechanisch die Formel nach.
Dann die beiden Entlastungszeugen. Durchaus wohlwol- lend, aber vorsichtig bis zur Farblosigkeit der ältere; klar, bestimmt, aber auch etwas zu allgemein der jüngere. Eindeutig lehnt er die charakterlose, unkame- radschaftliche und ungehörige Haltung der drei Be- lastungszeugen mir gegenüber ab, weist meinen früheren Gehilfen, der unverfroren eine Zwischenbemerkung macht, in seine Schranken zurück, daß dieser bleich wird und sich auf die Lippen beißt, während der Vorsitzende keinen Blick von dem vor ihm liegenden Aktenstück erhebt und nervös mit einem Bleistift spielt. Da das Gericht keine Anstalten trifft, meine Entlastungszeugen zu vereidigen, bittet mein Verteidiger um das Wort und beantragt die Vereidigung. Der Vorsitzende bricht die Verhandlung ab. Unter atemlosem Schweigen zieht sich das Gericht zur Beratung zurück. Als nach zwanzig Minuten der Vorsitzende die Verhandlung wieder eröff- net, gibt er geschäftsmäßig den Gerichtsbeschluß be-
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