DER PROZESS

Als letzter nimmt der Vertreter der Anklage, ein großer ungeschlachter Oberkriegsgerichtsrat mit selbstzufriede- nem, arrogantem Gesicht, Platz. Schon sein ganzes Ge- habe, dieses Wichtigtuerische, Rücksichtslose, macht mir den Mann vom ersten Augenblick an durch und durch unsympathisch.

Während ich rasch diese Eindrücke registriere, hat der Vorsitzende ein Aktenstück aufgeschlagen und gibt die Zusammensetzung des Gerichts bekannt. Dann verliest er mit gleichmäßiger, tonloser Geschäftsmäßigkeit die Anklage. Ich kenne die sechzehn Punkte zur Genüge! Während meine Augen unablässig den Richtertisch mustern, höre ich nyr halb die bekannten Phrasen, die sich jetzt zu einer Drohung auf Leben und Tod zusam- menballen.

Das sind nun also diese Richter, die gewohnheitsmäßig wie eine Meute hochgezüchteter Jagdhunde auf eine poli- tische Fährte gesetzt werden und mit allen Künsten und Erfahrungen ihres Berufes den politisch Angeklagten bis zur Vernichtung hetzen,- hetzen müssen, wenn sie nicht selbst Beruf und Stellung verlieren wollen. Mein Anwalt hatte mich auf alles vorbereitet, aber wie ich das nun in Wirklichkeit sehe, wie jetzt schon die beiden Beisitzer am Richtertisch mit Kopf und Händen ihre Zustimmung ausdrücken, wo doch erst die Anklage verlesen wird- allerdings, in einem totalitären Staat vielleicht die ge- fährlichste Anklage, die der Zersetzung der Wehrkraft-, während doch der Sachverhalt noch gar nicht geklärt,

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