DER PROZESS

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Nazifahne mit einem der vielen kitschigen Hitlerbilder davor. Durch die fünf großen Fenster, zwei rechts und links der Fahne und drei an der linken Seite, flutet das helle Frühlicht eines strahlenden Spätwintermorgens herein, der die Weite des Himmels im seidigen Blau leuchten läßt und die beschneiten Häusertrümmer der stark zerstörten Stadt mit erbarmungslosem, lebensstar­kem Licht überflutet. Wer wieder draußen sein könnte, kämpfen, das Leben meistern, so wie die Sonne draußen das Leben bejaht!

Doch da steht mein Anwalt neben mir. Sein schmales Gesicht ist ruhig. Seine Augen blicken gesammelt und überlegt, mustern mich prüfend. Seine kräftige Gestalt wirkt in der schwarzen Amtstracht etwas feierlich und fremd. ,, Nun, haben Sie schlafen können?", fragt er, freundlich mir die Hand schüttelnd. ,, Etwas doch", sage ich, während ich die Freude über seine Anwesenheit fast physisch empfinde.

Wir besprechen nochmals kurz das taktische Vorgehen, während hinter uns der Saal sich rasch füllt. Ich erkenne die Zeugen auf der anderen Seite der Stuhlreihe die Belastungszeugen! Meinen früheren Gehilfen Otto, schlank, das scharf geschnittene Gesicht nichtssagend und hochmütig. Den zweiten Hauptzeugen gegen mich: den Verwaltungsbeamten Albert, untersetzt, die etwas schwammige Figur durch das breite Lederkoppel gleich­sam zusammengehalten, das weichliche Gesicht mit dem unruhigen Blick voller Bedenken. Und der dritte im Bunde, Richard, schlank, mittelgroß mit straffer Haltung

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