DER PROZESS

Stets bringt er irgend etwas mit, Rauchwaren, etwas zu essen oder eine Zeitung. Und stets fühle ich mich gestärkt und beruhigt. Er ist der einzige Mensch, von dem ich hier das Gefühl habe, daß er mir wirklich wohl will. So bin ich sehr erwartungsvoll, wie er seinen Gottesdienst im Kreise dieser unter der Last ihres Schicksals fast zusammenbrechenden Menschen gestalten wird.

Um Viertel vor 10 werden wir am Sonntag in einen großen, niedrigen Raum geführt, der durch einzelne eiserne Träger gestützt ist. Er liegt zwei Stockwerke tief unter der Erde, und die schwache Beleuchtung durch ein paar matte elektrische Birnen erhöht noch das Un- wirkliche, fast Gespenstige dieser Zusammenkunft. Aus drei Eingängen kommen die Gefangenen herein. Die meisten an Händen und Füßen mit schweren Ketten gefesselt. Jeder trägt seinen kleinen Hocker aus der Zelle. Langsam füllt sich der Raum mit etwa dreihundert Männern, die vom Leben gezeichnet sind. Das Klirren der eisenbeschlagenen Stiefel auf den Steinfliesen, ver- mischt mit dem Klirren der Ketten, hört nicht auf, wäh- rend die Gefangenen sich unter strenger Kontrolle der Wächter, die, mit Stahlhelm und Pistole ausgerüstet, in barschem Ton ihre Anweisungen geben, auf den ange- wiesenen Plätzen hinsetzen. Sprechen ist verboten, aber trotzdem setzen sich die Gefangenen so, daß jeder mög- lichst neben Bekannte kommt. Rasch werden die letzten Nachrichten ausgetauscht. Zigaretten und kleine, ge- schriebene Mitteilungen wechseln wie stets bei derartigen

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