DER PROZESS
Front im Mittelabschnitt, dreihundert Kilometer Rück- zug, eine Krise nach der andern, Wochen und Wochen Durcheinander, Unsicherheit, drohende Gefangenschaft. Dabei offiziell in der Presse, im Rundfunk Siegesbericht auf Siegesbericht über erfolgreiche Rückzugsschlachten, während fast wie durch ein Wunder die letzte, volle Katastrophe der Front noch einmal vorüberging. Der letzte Glaube an die Führung zerstört, innerlich zerrissen, mit dem furchtbaren Gefühl, für eine aussichtslose Sache von einem verantwortungslosen Führer geopfert zu wer- den. Offene Worte im Kreise der eigenen Kameraden, mit denen in dieser härtesten Zeit das Schicksal geteilt wurde. Auf dem Wege zu einem neuen Kommando in Frankreich plötzlich die Verhaftung in der Heimat, denunziert und verraten von den eigenen Mitarbeitern und Gehilfen, denen man vertraut hatte; die getreu den ihnen eingeimpften Lehren jeden als Staatsfeind betrach- teten, der eine eigene Meinung hatte und nicht blind auf die offizielle Parteithese schwor.
Ich muß eine Pause einlegen, draußen auf dem Gang ertönen Schritte, aber sie gehen vorbei.
Dann fragt mein unsichtbarer Vertrauter auf der anderen Seite der Mauer:„Aber wie kommen Sie jetzt nach Minsk ?“ Ich entgegne nach kurzem Besinnen:„Das Gericht, das die ersten Vernehmungen machte, hal versucht, den Prozeß nach Ludwigsburg zu bekommen, aber das Sondergericht von Göring in Berlin hat an- geordnet, daß die Verhandlung in der kommenden Woche unter Mitwirkung dieses Gerichtes in Minsk
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