tag hindurch im Laufschritt. Ich hatte von diesem Augenblick an keine einzige Minute Freizeit mehr, keine Zeit Mittagessen zu empfangen, keine Zeit Abendessen einzunehmen, weil ich tagsüber im üblichen Arbeitskommando schaffte und während der Essenspause als Strafarbeiter in der Kiesgrube war. Auch abends, wenn die andern ausruhen konnten, mußte ich Straf­arbeit leisten. Die Strafarbeit war erst dann zu Ende, wenn am späten Abend das Signal zum Schlafengehen gegeben wurde. Dann mußte ich die Arbeitsstätte im Eilmarsch ver­lassen und sofort ins Bett gehen. Wehe mir, wenn ich bei der nachfolgenden Kontrolle noch außerhalb meiner Lagerstätte gefunden wurde. Das hatte dann sofort eine neue Strafmel­dung zur Folge, und 25 Stockschläge waren fällig.

Meine Kameraden richteten mir heimlich jeden Abend Brot her, Kartoffeln und Heringe, und ich mußte dann ebenso heimlich die hergerichteten Nahrungsmittel im Bett verschlin­gen. So kam es, daß ich mich nur alle 24 Stunden einmal satt essen konnte und mir nur wenige Stunden Schlaf blieben. Der Rest von mindestens 18 Stunden täglich war harter Ar­beit gewidmet.

Ein Tag, eine Woche um die andere verging auf diese Weise. Der fünfte Sonntag meiner Strafarbeitszeit war ein glühend­heißer Tag. Ich war an diesem Tage damit beschäftigt, mit dem Stoẞkarren aus der Kiesgrube Kies herauszuführen. Zu unserer Aufsicht war der SS.- Oberscharführer Wagner be­stimmt, ein Mann, der im ganzen Lager als einer der brutal­sten Schurken bekannt war. Aus irgendeinem Grunde muß er auf mich aufmerksam geworden sein. Vielleicht gefiel ihm mein Gesicht nicht. Jedenfalls ging er plötzlich auf mich los, schrie mich an, mißhandelte mich und trieb mich mit entsicherter Pistole stundenlang im Marsch- Marsch hin und zurück. Ich bin an jenem Vormittag zehnmal vollkommen erschöpft zusammen­gebrochen und wurde jedesmal von einem damit beauftragten Juden mit einem Eimer kalten Wassers übergossen, bis ich wieder zum Bewußtsein kam. Wieder bei Bewußtsein, mußte ich aufspringen und sofort wieder mit der Arbeit beginnen. Ich verzeihe dem Juden; denn hätte er es nicht getan, hätte er sterben müssen. Nicht aber verzeihe ich Wagner und dem Urheber meiner Leiden, Kreis­leiter Sponer.

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