Der Beginn des Leidensweges

Als ich im März 1933 verhaftet und wegen sogenannter Vor­bereitung zum Hochverrat unter Anklage gestellt wurde, da glaubte auch ich nicht, daß der Faschismus in der Praxis so brutal sein könnte, wie er sich in Wirklichkeit zu erkennen gab. Aber ich wurde bald eines Besseren belehrt.

Im Oktober 1933 wurde ich wegen Vorbereitung zum Hoch­verrat zu 42 Jahren Gefängnis verurteilt. Als ich im Novem­ber 1933 in das Landesgefängnis Rottenburg eingeliefert wurde, bestimmte der damalige Gefängnisdirektor Lupfer, daß ich, da­mit ich mein Gift nicht an die anderen Gefangenen weiter ver­breiten könne, in strenger Einzelhaft zu halten sei. Mir wurde im Zellenbau des Landesgefängnisses Rottenburg die Zelle 94 zugewiesen, die mir auf die Dauer von 32 Jahren Wohn-, Schlaf-, Arbeitsraum und Abort wurde.

Als dann endlich nach 4 langen Jahren im November 1937 die Freiheitsstunde für mich schlagen sollte und ich auf der Kanzlei auf meine Entlassungspapiere wartete, während meine Frau am Gefängnistor stand, um mich in die Freiheit abzu­holen, da wurde mir auf der Kanzlei folgendes eröffnet:

,, Der württembergische Innenminister hat gegen den oben näher bezeichneten Wandel unter dem 24.11. dieses Jahres Schutzhaftbefehl erlassen mit der Begründung, daß er seine Freiheit zu erneuter staatsfeindlicher Betätigung benützen würde."

Dies war die erste furchtbare Enttäuschung, die mir die ver­gangenen 12 Jahre in so großer Zahl eingebracht haben. Noch furchtbarer aber war die Enttäuschung für meine umsonst am Gefängnistor wartende Frau.

Am 28. November 1937 öffneten sich wieder die Tore des Landesgefängnisses Rottenburg, und zwei Minuten später schloß sich hinter mir das Tor des Amtsgerichtsgefängnisses Rotten­ burg . Ich kam in Schutzhaft.

Welzheim

Das erste Lager, in das ich verbracht wurde, war das Schutz­haftlager Welzheim. Die Empfangsfeierlichkeiten, die uns die dortige SS. bereitete, waren so brutal, daß wir wenige Mi­nuten nach dem Betreten des Baues sämtlich mit blutenden Ge­

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