nicht sammeln, aber sie waren gesammelt, mein Herz war geborgen in der Hand meines lebendigen Herrn, es war durchflutet vom hellen Auf- erstehungslicht des Ostermorgens.

3. Bewährung: Die Bruderschaft. Ein Jahr später, April 1915. Die Totenkurve, die wir Büroarbeiterinnen verfolgen konnten, war in den letzten Monaten ins Unvorstellbare gestiegen. Tag und Nacht sahen wir das Feuer aus dem Krematoriumschornstein auf- steigen. Das erste Tauwetter hatte mir die liebste junge Freundin ge- mommen, Margrit London, die an Lungentuberkulose erkrankt war. Sie hatte dem Jugendbund für entschiedenes Christentum angehört. Nachdem der Vater, die Freunde ihrer glücklichen Hamburger Jugend- jahre, der Verlobte von ihrer Seite gerissen waren und in Auschwitz und Theresienstadt ihr Leben hingaben, nachdem das Ungeziefer und die Bazillen sich ihres edlen Körpers bemächtigt hatten, stahlen schließlich Kameradinnen ihr in den letzten Tagen den einzigen Besitz, auf dem ihr schönheitsdurstiges Auge noch ruhen konnte, ein blankes Schüsselchen. Das bewegte sie zu einer kleinen Klage. Dann war sie won dem allen frei, zur Freiheit der Kinder Gottes herangereift. Der Blick ihrer strahlenden blauen Augen, die Haltung des edelgeformten Hauptes mit dem Blondhaar drückten dankbares Vertrauen aus. Sie fühlte sich in der Liebe der Freundinnen in Gottes Händen geborgen. Ein Gebet ihrer letzten Stunden für die deutschen Mütter durfte ich als ihr Vermächtnis mitnehmen. Als wir am Tage nach ihrem Tode für den Ausmarsch zur Arbeit aufgestellt, die feurige Lohe aus dem Krematoriumschornstein aufsteigen sahen, fühlte ich, wie sich wie früher ihre Hand zart auf nfine Schulter legte. Mir kamen die Worte aus GoethesBraut von Korinth über die Lippen, und ich sagte sie den Kameradinnen:

Höre, Mutter, meine letzte Bitte!

Einen Scheiterhaufen schichte du.

Öffne diese bange kleine Hütte,

Bring in Flammen Liebende zur Ruh.

Wenn der Funke sprüht,

Wenn die Asche glüht,

Eilen wir den alten Göttern zu.

19