an der Unerbittlichkeit des Gefängnisdirektors scheitern. So konnte ich nur Einigen bei einer jener plötzlich angesetzten gemeinsamen
Duschen im Waschraum rasch die Hand zum Feste drücken und feierte
dann den Abend allein, während der letzte Schein, der von außen in die unbelichtete Zelle drang, langsam verblich. Ich sagte mir die Messiasweissagungen und die Abschnitte der Weihnachtsgeschichte und zwischenhinein die ihnen antwortenden Advents- und Weihnachts- lieder, deren Melodie ich mir hintendrein pfiff: So war ich Pfarrer, Gemeinde und Organist zugleich. Zum Schluß pfiff ich, so gut ich konnte, die Hirtensymphonie aus Bachs Weihnachtsoratorium — der vollkommenste Ausdruck gestillter Sehnsucht.
In der Nacht zum ersten Advent war ich aufgewacht, völlig gebadet in den starken Tonschwingungen eines reinen klaren Chorals. Mir hatte geträumt, daß eine Frau unserer Gemeinde, ehemalige Sängerin, mir in der Zelle dieses Lied sang. Ich weiß, daß Du, liebe mütterliche Freundin, in dieser Nacht für mich und meinesgleichen gebetet hast! In der Heiligen Nacht , die nach mittäglichem Fliegeralarm ungestört blieb, führte mich der Traum in die Heimatkirche, das olte Dorfkirch- lein von Berlin-Dahlem. Ich sah, wie die geliebten Gestalten, auch die- jenigen, die schon fern waren, im Ausland, im KZ oder im Felde, einer nach dem andern in die Kirche einzogen und sich an ihre Plätze setzten. Der Gottesdienst sollte beginnen. Da wachte ich auf, die Ge- meinschaft der Anbetung mit den Geliebten dankbar im Herzen tragend.„Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen“...
2. Erprobung: Der Totentanz. Ein Vierteljahr später ge- schah die Überführung in das zentrale Frauen-KZ Ravensbrück in Süd- ost-Mecklenburg. In fichtenbestandenem, sandigem Hügelgelände, von Betonmauer und Stacheldraht im Kreise umgeben, über die einzig der Wachtturm und der Krematoriumschornstein hinausragten, lagen an der schnurgeraden, mit Kohlenschotter bestreuten, peinlich sauber ge- pflegten Lagerstraße und ihren Nebenwegen, über denen wir manch- mal lange Zeit deutsche Flieger kreisen sahen, die rund dreißig Blocks, einstöckige Holzbaracken, jede aus„A- und B-Seite“ bestehend, mit je einem Wohnraum, Schlafraum, Waschraum, je fünf Aborten und ins-
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