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Jehovas", war die regelmäßige Antwort. Zu weiteren Erwiderungen ließẞ er es nicht kommen denn die Bibelforscher versäumten keine Gelegenheit zu demonstrieren sondern forderte die Besucher auf, nun den Schlafsaal zu besehen. Allgemeines Aah! und Ooh! beim Anblick dieser Bettenpracht. Ich blieb in der Schlafsaaltür stehen und machte mit Händen oder Füßen hinter dem Rücken der Besucher meinen Bibelforschern, die nach dem Befehl Kögels ,, Weitermachen!" mit sorgfältig für diesen Zweck präparierten Strickstrümpfen an den Tischen saßen, irgendwelche Faxen. Dann ertönte: ,, Block älteste, herkommen! Wieviel ,, Eine Zeit haben die Häftlinge vom Wecken bis zum Antreten?" dreiviertel Stunde, Herr Lagerkommandant." Kögel wies auf die Betten und sagte:„ Sie müssen bedenken, in einer dreiviertel Stunde: Betten bauen, anziehen, Schränke säubern, Kaffeetrinken, und dabei diese Ordnung, diese mustergültigen Betten." Mit den Worten: ,, Sie glauben doch nicht etwa, daß unter dieser Decke ein Brett liegt", trat er an ein Bett heran, schlug die Bettdecke zurück und klopfte auf den Strohsack, als sei es ein Pferdehals:„ ,, Sehen Sie, so vorzüglich ist dieser Strohsack gestopft. Das sind die Erfolge der Umerziehung zu Ordnung und Sauberkeit im Konzentrationslager!" Danach trat er regelmäßig an ein Fenster, durch das man in den Schlafsaal der nächsten, der übernächsten, der überübernächsten Baracke usw. bis ans Lagerende blicken konnte, denn die Blocks waren genau so schnurgerade ausgerichtet, wie alles in diesem Lager, und Kögel wies mit großartiger Armbewegung zum Fenster hinaus und sagte mit schwellender Stimme: Und genau so ordentlich wie dieser Block sind alle anderen im Konzentrationslager Ravensbrück !" Und die Besucher traten ans Fenster und priesen diese Musteranstalt zur Umerziehung von Staatsfeinden und minderwertigen Elementen zu brauchbaren Gliedern der deutschen Volksgemeinschaft.
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Nach der A- Seite wurde die B- Seite des Blocks mit genau dem gleichen Ritus besichtigt. Und wenn dann die stiefelknarrende, zigarettenduftende Meute die Baracke verlassen hatte, sprangen nach erfolgtem Erlösungsruf die Eingesperrten von der Toilette, alle zusammen jubelten wir, daß wieder mal ,, nichts passiert" war, und die Töpfe und Schüsseln standen im Nu wieder auf dem Ofen. Manchmal aber, wenn er gerade bei Laune war, fragte mich der Kommandant Kögel, wo die Bibelforscher in Arbeit seien, und dann schnurrte ich zehn Kolonnen mit irgendeiner im Moment erdachten Zahl herunter. Mein Glück war, daß er nie diese Phantasiezahlen nachrechnete. Oder er fragte jede einzelne im Block Befindliche, warum sie nicht in Arbeit sei. Aber einmal wäre es beinahe um uns geschehen gewesen. Auf den Warnungsruf hin hatten sich wieder so gegen zwanzig Frauen auf der Toilette versteckt. Die Besichtigung nahm ihren Verlauf, und als sie schon die Baracke verlassen wollten, fragte ein Besucher in Zivil: ,, Darf ich einmal eine Toilette besichtigen?"
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