erkläre hiermit, daß ich von jetzt ab nicht mehr ,, Zeuge Jehovas " bin und mich weiterhin weder durch Wort noch Schrift für die ,, Internationale Vereinigung der Bibelforscher" betätigen werde...

Bis 1942 kam es nur ganz vereinzelt vor, daß eine Bibelforscherin ,, unterschrieb". Später, als die brutalen Verfolgungen gegen sie be­gannen, geschah es häufiger. Ich fragte einmal eine Bibelforscherin: ,, Ich kann nicht begreifen, warum ihr nicht unterschreibt? Was hindert euch, das, weiter in eurem Glauben zu beharren und heimlich zu agitieren? Damit würdet ihr doch eurer Bewegung viel mehr nützen?" ,, Nein", war die Antwort ,,, das können wir nicht mit unserem Gewissen verein­baren. Der SS diese Unterschrift leisten, hieße, sich mit dem Teufel ver­bünden!"

Erst nachdem ich einige Zeit ihre Blockälteste war, stellte ich fest, daß meine ,, Bibelwürmer", so hießen sie im Lagerjargon, im Besitze von Bibeln und Bibelforscher- Traktätchen waren. Die hatten ihnen bei der Arbeit außerhalb des Lagers sympathisierende Zivilisten geschenkt. Unter meiner Vorgängerin wagten sie es nicht, ihre Heiligtümer mit in den Block zu schmuggeln. Damals benutzten sie wohl die unbewachten Minuten während der Arbeitszeit, um darin zu lesen. Als aber nun mit mir eine neue, friedliche Ära anbrach, die übrigens auch in der Heiligen Schrift vorausgesagt worden war, wurden jeden Tag verborgen in den Putzeimern, unter den Scheuertüchern der reinemachenden Bibelforsche­rinnen, die Alten und Neuen Testamente abends von der Arbeit mit heimgebracht und morgens wieder mitgenommen. Das entdeckte ich ein­mal und meinte, es wäre doch viel ungefährlicher, wenn man die Bibeln tagsüber im Block versteckte. Und begeistert wurde der Vorschlag an­genommen. Nun war an jedem Abend, jedem Sonntag, in jeder freien Zeit ein eifriges Bibelforschen im Gange. Abends in den Betten, bevor noch die Nachtwache mit dem Hunde drohte, sangen sie ihre Lieder, die denen der Heilsarmee gleichen, aber noch kämpferischer sind. Und ich trug Sorge, daß ihnen nichts geschah und daß bei drohenden Block­kontrollen die Bibeln rechtzeitig in sichere Verstecke gebracht wurden. Als wir nach einigen Monaten in die Baracke Nr. 17, die an der neu­eröffneten zweiten Lagerstraße lag, übersiedelten und dort die Block­räume eine Zimmerdecke hatten, schufen wir uns ein ideales Versteck vor dem Zugriff der SS, indem wir eine Latte der Holzverschalung an der Decke lockerten und bei drohender Gefahr alle Bibelschätze dort

verstauten.

Unter den Bibelforscherinnen gab es viele alte Frauen, die durch jahrelange Haft geschwächt waren und einfach Erschöpfungszustände er­litten. Fast alle arbeiteten in geschlossenen Kolonnen, und so erdachten wir ein ,, Austauschsystem", gaben bei allen Kontrollen, jeder zahlen­mäßigen Erfassung falsche Stärkemeldungen" an und konnten so die

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