auf Sonntag wurde ich von General Garibaldi beauftragt, die im Gemeinde- haus untergebrachten SS -Leute zu beobachten, da bekannt gewörden war, daß ein SS-Verband in der Nähe sei, der sich mit unseren SS -Leuten in Ver- bindung setzen sollte. Das Dorf wurde von den dort versteckten Partisanen abgeriegelt. In der Nacht gegen 2 Uhr fand ein Gefecht zwischen der fremden SS und den Partisanen statt, welches eine Stunde dauerte. Am anderen Morgen traf der Befehlshaber der Armeegruppe Südost in Niederndorf ein. Bei dieser Gelegenheit bat ihn Oberst Petersdorf, unseren Schutz zu über- nehmen, was er jedoch ablehnte. In der Nacht gelang es einigen Häftlingen, die im Autobus schliefen, den Revolver des Hauptsturmführers Stiller, wäh- rend er schlief, zu entladen:
Am Sonntagmittag gegen 1 Uhr wurde ich vom Hauptsturmführer Stiller ins Gemeindehaus gerufen, wo ein großes Bankett stattfand. Ich sollte dort als Dolmetscher zwischen General Garibaldi und ihm assistieren. An der Tafel saßen General Garibaldi, Oberst Ferrero, sechs Italiener, welche sich später als italienische Partisanen-Kapitäne entpuppten, die ehemals unter Garibaldi gekämpft hatten, und einige Frauen. Nach dem Festessen erkundigte sich Oberst Ferrero im Auftrag des Generals Garibaldi, was Stiller mit uns vorhabe. Stiller erklärte, er habe einen Sonderauftrag des Reichsführers Himmler zwecks unserer Unterbringung in einem Seitentale des Pustertales, und zwar sei dafür das Hotel Praxerwildsee vorgesehen, welches 8 Kilo- meter von Niederndorf entfernt läge. General Garibaldi entgegnete ihm darauf, daß er und Ferrero nicht mitgehen würden, worauf Stiller sagte, er habe die Macht, auch mit Gewaltanwendung seinen Auftrag durchzuführen. Garibaldi erklärte darauf in einem lächelnden Tone, daß er wohl seine Macht überschätzt habe, denn er befände sich jetzt im Hauptquartier der Partisanen. Stiller sagte:„Das ist Meuterei‘ und zog seinen Revolver. Garibaldi machte ihn aber lachend darauf aufmerksam, daß sein Revolver gar nicht geladen sei, dafür hätten schon andere gesorgt. Er möge ihn ruhig wegstecken. Stiller überzeugte sich sofort, daß es der Wahrheit entsprach und schob die Schuld auf„Kohlenklau“, der jedoch völlig unschuldig an der Sache war.. Stiller wollte sofort die Wache herbeirufen. Als er jedoch die Türe öffnete, sprang er erschreckt zurück, denn vor ihm standen vier Partisanen in Uniform mit angelegten Maschinenpistolen. Völlig geschlagen kehrte er wieder ins Zimmer zurück und fragte, was nun mit ihm geschehen würde. Garibaldi versicherte ihm, daß ihm kein Leid angetan würde. Er gab sogar sein Ehrenwort darauf, einen entsprechenden Befehl zu geben. Stiller sagte darauf, er müsse seinen Auftrag ausführen und uns nach Praxerwildsee bringen, welches am anderen Tage geschah, jedoch ohne General Garibaldi, Oberst Ferrero und den Sohn Molotows.
Am anderen Morgen fuhren wir gegen 10 Uhr nach Praxerwildsee, wo wir das Hotel in einem Talkessel fanden. Praxerwildsee ist ein Sporthotel mit 300 Zimmern, vor dem sich ein großer See rings von Bergen umgeben er- streckt. Es gab nur einen einzigen ‚Ausweg nach Niederndorf . Im Hotel hielten sich nur die Besitzerin und ein Hausmeister auf. Ich wurde von Stiller gleich beauftragt, die Verpflegung der Häftlinge zu übernehmen. Die
195


