keit mit fünfundzwanzig Stockhießen bestraft werde. Kurz entschlossen run- dete ich meine Vorstrafen nach oben ab. Lieber zwei mehr als eine
zu wenig.
Im Anschluß an diese Kartothekaufnahme gab uns einer der Häftlines- schreiber einige Anweisungen über unser Verhalten und über das Lagerleben. Das Wichtigste war, daß er eindringlich jeden einzelnen davor warhte,, zu stehlen, insbesondere Brot. r
Nun mußten wir noch zum Arzt, der unsere Lagerfähigkeit festzustellen hatte. Ich war nicht mehr neugierig, weitere Einzelheiten des Buchenwald - lebens kennenzulernen. Für heute genügte mir, was ich erlebt und was ich über die Ordnung im Lager erfahren hatte.
Ich sehnte mich nach Ruhe, nach einem stillen Winkel, wo ich meine auf- gewühlten Gedanken beruhigen und meine seelische Zerrissenheit wieder ins Gleichgewicht bringen konnte.
Wir mußten uns ausziehen. und wurden hauptsächlich auf ansteckende Krankheiten untersucht. Nachdem noch einmal unsere Personalien aufge- schrieben worden waren, durften wir die uns zugewiesenen Blocks aufsuchen.
Im Block
Ich kam auf den Block sechsunddreißig, einen Block mit deutschen poli- schen Häftlingen.
Nachdem ich mich beim Blockältesten, meinem direkten- Vorgesetzten, dem ich unbedingten Gehorsam schuldete, gemeldet hatte, setzte ich mich auf den mir zugewiesenen Platz.
Ruhe wollte ich haben, in einem stillen-Winkel wollte ich sitzen, um mit meinen Gedanken allein zu sein. Damit war es nichts. Hier gab es keine stillen Winkel und keine Ruhe. Auf dem Block herrschte reger Betrieb, ein Kommen und Gehen. Hundert Menschen waren in dem Raum, saßen an sauberen Tischen oder standen in den Gängen oder an den Spinden herum. Da wurde gegessen, geflickt, gestopft, Spinde sauber gemacht, musiziert und ge- stritten. Es waren Männer aller Altersklassen und aller Berufe: Arbeiter, An- gestellte, Beamte, Bauern, Geschäftsleute, Lehrer, Professoren, Alle trugen rote Winkel und Nummern auf der linken Brustseite.
Viele Häftlinge saßen gleichgültig da. hatten sich mit ihrem Los abgefunden. waren müde und ließen sich treiben. In ihren Augen las man nichts mehr von Lebensmut oder Lebenswillen. Ihre Körper waren abgemagert, ihre Gesichter knochig und hohlwangig. Wenn sie aufstanden, wankten sie, so schwach waren sie.
„Das sind alles Todeskandidaten,“ sagte ein Häftling zu mir, der sich zu mir setzte und mich beobachtet hatte, als mein Blick an diesen Bedauerns-
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