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Wir wurden aufgestellt, gezählt, und der Lager-SS übergeben. Dann wur- den wir in eine Baracke geführt, vor der wir standen.
Es war die Baracke der„Politischen Abteilung“, die Baracke, vor der sich die frommen polnischer Häftlinge immer bekreuzigten, ehe sie ein- traten.
Mit dem Gesicht vor der Wand standen wir da und warteten auf unseren Aufruf. Einige der an uns vorübergehenden SS -Leute vergnügten sich wieder damit, unsere Gesichter an die Wand zu schlagen. Andere wieder gingen vor- über und fragten die Gestoßenen, warum sie bluteten. Wenn die Gefragten nicht gleich die richtige Antwort fanden, bekamen sie gut sitzende Kinn- haken. Und wenn ihnen dann das Bewußtsein zu schwinden drohte, noch einen Fauststoß in die Magengrube. Wenn aber einer die erwünschte Ant- wort gab:„Ich habe mich gestoßen,“ so war es auch nicht recht, so bekam er trotz seiner schnellen Anpassungsfähigkeit wegen„seiner persönlichen Ungeschicklichkeit“ noch ein paar Ohrfeigen zur Lehre, daß er nächstens besser aufpassen solle.
Von einem politischen Ehrenhäftling wurden wir inzwischen genauestens darüber instruiert, wie wir uns in dem Raum der hohen politischen Abtei- lung zu verhalten hätten, um die hinter der Tür sitzenden blutlechzenden Bestien nicht zu reizen. BR
Einer nach dem andern schloß die Tür hinter sich mit dem Gedanken, sich streng an die Anweisung des Ehrenhäftlings zu halten, um ja nicht schon durch die Vernachlässigung der Formalitäten aufzufallen.
Aber jeder einzelne, der heraustrat und die Türe wieder hinter sich ge- schlossen hatte, um in unsere Reihen zurückzutreten, stöhnte, blutete, rieb sein Gesäß oder hielt die Unterarme vor die Magengrube.}
Alle erhielten ihre„Taufe“. Nur einer wurde nicht angerührt. Es war der große Holländer, der als Geißel' verschleppt worden war. Er wandte sein Gesicht zu mir und sprach leise, aber triumphierend:
„An mich haben sie sich doch nicht herangewagt.“
Dann kam die Reihe an mich. Als ich die Tür geschlossen hatte, sagte ich mein Sprüchlein her und wartete, bis man mich rief.
„Komm her, du Schwein!“ k‘
Es war ein großer brutaler Mund, aus dem diese Worte im Buchenwald - SS -Jargon gekommen waren. Der Mund saß in einem dicken, breiten und roten Gesicht, mit zwei kleinen tückischen Augen, einer dicken geröteten Nase und einer Hitlerfliege darunter.„Das ist kein Gesicht,“ dachte ich haßerfüllt,„das ist die Fratze eines Ungeheuers.“
Ich trat näher in das Blickfeld der Fratze.
„Geh mir aus den Augen, du Mistvieh, sonst trete ich dich zusammen.“ Er sprang auf und trat mir mit seinen genagelten schweren Stiefeln vor das Schienbein, daß es mir’ dunkel vor den Augen wurde und ich tausende kleiner Sternchen sah.
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