Ein Bild tauchte auf, ein Bild, das ich einmal vor Jahren gesehen hatte. Es gehörte zu einem Film: ,, Dokumente aus dem Weltkrieg", ein torpediertes Schiff sinkt. Auf dem Deck laufen hastig Punkte hin und her, einige dieser Punkte lösen sich, springen ab, ins Wasser. Die meisten aber laufen hastig, sinnlos hin und her, bis der Sog das Schiff erfaßt und alles in die Tiefe zieht.
Menschen in Todesnot, Menschen, denen andere Menschen zusehen in ihrer Todesnot, die von anderen Menschen gefilmt werden im Todeskampf. Ich erinnerte mich meiner Empörung: Menschen töten absichtlich Menschen und photographieren die Sterbenden.
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Ich sehe das Schiff, die hastigen Punkte und ich sehe mich, mich selbst in Lebensgröße. Gemessen, tastend gehe ich hin und her, suche einen Ausweg, auch in Todesnot und gleichzeitig sitze ich in einem roten Plüschsessel und sehe mir beides an: die schwarzen Punkte und mich selbst.
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Habe ich Aussicht, hier herauszukommen? Ich überlege: Sechzig Prozent Wahrscheinlichkeit spricht dagegen, vierzig Prozent dafür. So ungefähr scheinen mir die Aussichten.
Noch kann man atmen, noch riecht es nur wenig nach Rauch. Heiß ist es auch noch nicht.
Wie wird es sein, wenn das Letzte, wenn die Todesqual kommt? Werde ich Haltung bewahren, Haltung vor mir selbst?
Warum ist mir das eigentlich wichtig? Ist es nicht gleichgültig, wie man stirbt? Es sind Momente, es sind Stunden, und dann ist alles vorüber.
Doch, wahrscheinlich werde ich Haltung bewahren.
Es ist mir wertvoll, daß ich es weiß. Und gleichzeitig wundere ich mich, warum es mir wichtig ist.
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