gekennzeichneten Posten brachte sie ins Lager, wo eine holländische Kameradin sie in Empfang nahm und die Spulen zum Ausschuß tat. Eine Russin hatte den Auftrag, den Ausschuß aufzuschneiden. Wir hatten ihr gesagt, sie solle rasch arbeiten und dem Meister angeben, daß sie weniger Spulen aufschneide, als sie es in Wirklichkeit tat! ,, Damit deine Kameradinnen nicht Unannehmlichkeiten haben!" Über 20 000 Spulen mochte ich damals zuviel ausgeschrieben haben.
Eines Tages fiel ich dem Meister auf: er beobachtete, daß bei mir von verschiedenen Häftlingen Brot abgegeben wurde und daß ich dieses Brot an diejenigen verteilte, die wegen unzureichender Arbeitsleistung länger arbeiten mußten. Er machte mir eine Szene: ,, Unterstützung der Arbeitsunwilligen" warf er mir vor.
Am nächsten Morgen begann der Lärm von neuem: ,, Sprengel, Sie werden in Zukunft das Klosett putzen!"
Unter dem Eindruck dieser Szenen verlor die Kameradin an der Meßbrücke die Nerven: sie begann, die Arbeit zu schwänzen. Ich suchte sie auf. Ich machte ihr Vorhaltungen. Ich wies sie darauf hin, daß ihr Verhalten mir das Leben kosten könne. Sie blieb der Arbeit fern.
Mir war klar, daß ich handeln mußte. Flucht schien mir unter den gegebenen Umständen zu gefährlich. Es bestand immerhin die Möglichkeit einer Wiederverhaftung. Nach den Vorgängen im Betrieb bedeutete Wiederverhaftung aber mit Sicherheit: Erschießung.
Es mußte ein anderer Weg gefunden werden. Zunächst ging ich ins Revier. Wie mit einer der Häftlingsschwestern verabredet war, gab ich an, Durchfall zu haben. Heimlich drückte die mir eine Temperaturkarte( 39 Grad) in die Hand. Ich erhielt
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