arbeitet ihr nicht?" Sie sprach die Frage nicht aus. Sie sah unsere Augen: aufgerissene, blinde, leere Augen, Augen von Wahnsinnigen. Sie drehte sich um und flüchtete aus der Baracke.

Am Abend war ich im Tschechen - Block. Ein Block mit knappem Raum für 300 Menschen, in dem 700 Frauen untergebracht waren. An diesem Abend herrschte in dem Block eine tote Leere.

Nie vorher, nie nachher habe ich so etwas erlebt: Luft, die vor Schmerz steht! 65 Frauen dieses Blocks waren auf Todestransport gekommen. Vier Töchter blieben als Arbeitsvieh zurück. Ihre Mütter waren zur Vergasung geschickt.

Unordnung

Die Überfüllung und Unordnung im Lager hatte große wirtschaftliche und hygienische Nachteile. Zeitweilig schliefen in zwei Betten bis zu sieben Menschen. Saubere Wäsche, ausreichende Unter­kleidung gab es auf ,, legalem Wege" überhaupt nicht mehr. Das Gedränge nahm zu. Sitzgelegen­heiten gab es in den Blocks kaum noch.

Die Unordnung hatte aber auch Vorteile. Die SS verlor die Kontrolle über uns. Es wurde möglich, die Arbeit zu schwänzen. Es wurde möglich, sich in größeren Gruppen zusammenzusetzen, Vorträge an­zuhören, Diskussionen zu veranstalten. Man sprach ganz offiziell vom ,, Ravensbrücker Maquis". Wäh­rend des Appells wurde gesprochen. Der einzelne Häftling, der dabei ertappt wurde, bekam wohl ge­legentlich noch Hiebe. Was machte das? Der Wert der Unterhaltung war größer.

Menschliches Wachstum

Im ersten Jahr schien mir das, was wir in Ravens­ brück durchmachten, die menschliche Tragfähigkeit

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