Die Abteilungsbeamtin kam herein, eine strenge und doch gütige katholische Frau. Sie rief mich an. ,, Nun, Sprengel", fragte sie freundlich, voll Mit­freude ,,, den Entlassungsrapport haben Sie hinter sich?" ,, Ja. Ich komme nach Ravensbrück !" Hart, kurz kamen die Worte über meine Lippen.

Die Beamtin erhob sich. Tränen standen in ihren Augen. Mit beiden Fäusten schlug sie auf das Pult: ,, Die Anständigen bringen sie um!" Sie verließ den Saal. Es war totenstill.

In diesen Tagen steckten mir die Kameradinnen, Politische und Kriminelle, alles zu, was greifbar war. Die Kranken gaben mir ihre Diät, die Schwangeren gaben mir ihre Milch. Die Aufseherinnen brachten Kuchen. Ehe die Wurst in der Abteilung verteilt wurde, mußte ein großes Stück für mich abgeschnit­ten werden. Ich nahm es, es, schmeckte nichts.

Es kamen drei Wochen Transport: fast ohne Ver­pflegung, meist ohne Bett oder Strohsack des Nachts, ohne Möglichkeit, sich zu säubern. Tags­über Eisenbahnfahrten in heißen, engen Gefangenen­wagen. In Transportzellen, die für zwei Leute eng waren, saßen und standen vier bis sechs Gefangene.

Diese Transportgefängnisse: Ein Strom verhun­gerter, zerlumpter Männer, Frauen und Kinder aller Nationen wälzte sich ununterbrochen hindurch: er­schöpft, verzweifelt, verwirrt, nicht wissend, warum ihnen das geschah, nicht wissend, wohin sie kamen, nicht ahnend, was da kommen sollte. Ein Grauen stand in ihren Augen. Kinder, tausende Kinder waren unter ihnen....

Ravensbrück

Auf dem Bahnhof nahmen uns Frauen in Uniform, mit hohen Stiefeln, koketten Käppis und noch koketteren Locken in Empfang. Wir waren scheu. Wir waren willig. Wir wurden angeschnauzt, kom­

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